Die Kolonie
du
hierbleibst, mein Sohn. Und gesetzlich – nun, vielleicht bist du
kein Sklave, aber es steht dir sicherlich nicht frei zu gehen, wohin
du willst.«
»Das ist kriminell!«
»Ich versuche nur dich zu schützen, David«, sagte
Cobb und lehnte sich auf der Couch zurück, um ihm ins Gesicht
sehen zu können. »Die Firma hat einen Haufen Geld in dich
investiert. Das Gremium ist nicht daran interessiert, dich laufen zu
lassen, damit du deine wertvolle Haut zu Markte trägst. Die
Wissenschaftler würde der Schlag treffen! Sollte ihnen ihr
großes Experiment aus den Fingern gleiten? Die würden dich
festbinden, selbst wenn ich es nicht tue.«
»Das können Sie mir nicht antun!« rief David.
»Ich werde mich an die Weltregierung wenden! Ich werde Evelyn
veranlassen, die Geschichte über sämtliche Medien der Erde
zu verbreiten!«
Cobb schüttelte bedauernd den Kopf. »Du kannst die
kleine Hall zu nichts mehr veranlassen. Sie ist bereits
fort.«
»Fort?« David fühlte, wie seine Knie nachgaben.
Junge, ich will dich nicht übers Ohr hauen, aber genau das
muß ich tun. »Sie ist vor ein paar Stunden mit dem
Morgenshuttle abgereist. Ich versuche immer noch herauszubekommen,
wie sie es fertiggebracht hat.«
»Haben Sie sie aus der Kolonie hinausgeworfen?«
»Ich nicht«, sagte Cobb. »Ich wollte, daß sie
bleibt. Ich kann mir nichts Schlimmeres wünschen, als sie wieder
auf der Erde zu wissen. Anscheinend hatte sie aber ihre eigenen
Möglichkeiten. Sie entschwand ebenso lautlos wie sie gekommen
war.«
»Sie haben sie fortgeschickt!«
»Ich war’s nicht«, beharrte Cobb mit erhobener
Stimme.
»Ich glaube Ihnen nicht!« rief David. »Sie haben
sie hinausgeekelt und Sie halten mich hier fest! Sie wollten sie
loswerden, weil sie mir allmählich die Augen öffnete
für das, was Sie tun, was das Gremium tut, und für die
ganze verfahrene und miese Situation überhaupt!«
Man hat dir die Augen geöffnet, nun gut, dachte Cobb. Doch warum muß man sich so was stets mit soviel Schmerz
erkaufen?
»Hör zu, mein Sohn«, sagte er, »ich wollte
nicht…«
»Ich bin fertig mit Ihnen, und will auch nicht mehr
zuhören! Ich möchte hier raus… raus aus diesem
Gefängnis!«
Cobb erhob sich langsam und merkte, daß seine Hände
leicht zitterten. »David, du weißt, daß du Eiland
Eins nicht verlassen darfst. Selbst wenn ich dich ziehen lassen
würde, mein Sohn, so würde es das Gremium niemals erlauben.
Der Stab würde revoltieren. All das Geld und all die Mühe,
die man in dich investiert hat… du bist einfach viel zu
wertvoll, als daß man das Risiko einginge, dich eine Reise zur
Erde machen zu lassen. Dort unten ist es viel zu verseucht und viel
zu gefährlich für dich. Du würdest es nicht
überleben.«
»Ich gehe«, rief David. »Ich werde zur Erde reisen,
auf diese oder jene Weise!«
Er wandte sich schroff ab, stapfte aus dem Raum und ließ
Cobb einfach stehen, einen einsamen, zitternden Greis in einem mit
Plüsch ausgeschlagenen Büro mit langen Couchen und
geschnitzten Stühlen und den flüsternden Ventilatoren, die
eine perfekt klimatisierte Luft im Raum verteilten.
Einsam und verlassen.
Auf dem zerfurchten Gesicht des alten Mannes breitete sich ganz
langsam ein Lächeln aus. Es war ein böses Lächeln,
doch immerhin ein Lächeln.
Viel Glück, mein Sohn, wünschte er im
stillen.
Den ganzen Tag habe ich am Telefon gehangen, um irgendeinen Job
zu finden. Aber nichts dergleichen. Es gibt einfach keine Arbeit
für einen Zwanzigjährigen, der sein Leben nur auf einer
Farm verbracht hat. Ich verstehe mich auf Maschinen, kann einen
Geschäftscomputer bedienen, kenne mich sogar etwas in der
Tiermedizin aus. Doch keiner ist an mir interessiert. Ich habe die
falschen Zeugnisse. Alle schauen auf die Noten und nicht auf den
Menschen.
Die Leute von der Sozialfürsorge haben sich mit Mutter und
Vater unterhalten, und mindestens fünf verschiedene politische
Parteien haben mir ihr Programm zugesandt. Ich habe sogar ein Angebot
von Leuten bekommen, die Männer für Lateinamerika anwerben,
um Guerillas zu bekämpfen, die die rechtmäßig
gewählten Regierungen unterminieren.
Ich weiß nicht, was ich tun oder wo ich hingehen soll.
Natürlich gefällt es mir gar nicht, die Farm zu verlassen,
aber wir werden wohl müssen, und zwar schon zu Ende dieses
Monats.
- Das Tagebuch des William Palmquist
10. Kapitel
Sie ritten an einem der alten Kanäle entlang, die zum fernen
Euphrat hinführten. Denny waren Pferde nicht
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