Die Kolonie
befand, ein
einzelner Mann in einem hohen Drehsessel mit Plüschlehne an
einem podiumartigen Tisch saß. Anstelle der Sitzreihen für
die Zuschauer waren Bildschirme aufgereiht, Dutzende und
Aberdutzende, Zeile um Zeile, und jeder zeigte einen anderen Teil der
Mammutkolonie. Von seinem Patz aus, wo er wie ein strenger alter
Yankee-Schulmeister thronte, mit seinem Bürstenschnitt, der das
Licht der Bildschirme wie eine Miniaturgloriole einfing, konnte Cobb
praktisch sämtliche öffentlichen Bereiche von Eiland Eins
überblicken.
Zwei Techniker waren damit beschäftigt, eine geborstene
Scheibe in den mächtigen Fenstern auszuwechseln, die an der
Kolonie entlangliefen. Ein Meteorit kaum größer als ein
Sandkorn hatte die Scheibe gestreift. Die automatischen Sensoren
hatten den Reparaturtrupp alarmiert, der rund um die Uhr arbeitete,
um die Scheiben luftdicht und sauber zu halten.
Elektrische Erntemaschinen fuhren an einem langgestreckten
Maisfeld entlang, pflückten die reifen Kolben vom Stengel,
schnitten dann die leeren Stengel ab und führten sie dem
Häckselwerk zu.
Ein Teenager glitt mit seinem grellrotgelben Drachen durch die
Luft, schwebte in Spiralen durch den riesigen Zylinder zur
Mittellinie hinauf, wo die durch die Drehbewegungen erzeugte
Schwerkraft praktisch null war und wo man schwerelos dahinschweben
konnte, bis man Hunger bekam und wieder umkehrte.
Eine der automatischen Verarbeitungsanlagen irgendwo draußen
auf den Werksplattformen verdampfte lautlos und wirksam eine Tonne
Mondgestein und verwandelte die gasförmigen Chemikalien in
Antibiotika und immunologische Stoffe, die dann später auf der
Erde in den Handel kamen. Ein einsamer Überwachungsbeamter
saß vor seinen Steuergeräten und beobachtete gähnend
das unmenschlich komplexe Spinnennetz aus Metall und Glas. Der
Computer der Anlage überwachte jedes Gramm Material und jedes
Erg Energie, die die Anlage verbrauchte, im Mikrosekundenschritt.
In der linken unteren Ecke dieses Amphitheaters zeigten fünf
von Cobbs Bildschirmen Ansichten der üppigen tropischen Szene in
Zylinder B. Nichts rührte sich dort. Noch nicht.
Cobb selbst warf selten einen Blick auf die Bildschirme. Sie waren
so sehr ein Teil seiner selbst, daß er spüren konnte, wenn
alles ordnungsgemäß verlief oder wenn irgend etwas
Besonders passierte, was seiner Aufmerksamkeit bedurfte.
Cobb war gerade damit beschäftigt, in seinen Kommunikator zu
diktieren, der in die Tischplatte eingelassen war. »…ganz
gleich, was die Weltregierung zu tun beabsichtigt, weil sie meint,
ein Recht darauf zu haben, oder wie sehr wir unter Druck gesetzt
werden. Wir werden keine – ich wiederhole, keine – Inspektionstour durch diese Kolonie für irgendeinen
Repräsentanten der Weltregierung zulassen, ganz gleich um wen es
sich handeln mag. Das Problem liegt nicht in ihren offiziellen Fragen
und Anforderungen, vielmehr in dem inoffiziellen Versuch, Spionage zu
treiben…«
Er blickte zu einem der Bildschirme auf, die nahe an der Decke
angebracht waren. Auf dem Bildschirm war David zu sehen, der auf
seinem Elektrokrad saß und über die schmutzige
Straße raste, die zum zentralen Verwaltungsgebäude
führte.
Cobb unterdrückte ein Lächeln, während er auf die
Digitaluhr auf seiner Tischplatte schaute. Dann nahm er sein Diktat
wieder auf.
Genau vierzig Minuten später flammte das rote Licht auf dem
winzigen Gehäuse des Kommunikators auf. Cobb tippte daran und
fragte schroff: »Was gibt’s?«
»Ich bin’s«, flüsterte David, und sein
besorgtes Gesicht füllte den Bildschirm in der Mitte von Cobbs
Tisch. »Ich bin hier in ihrem Außenbüro. Ich
muß mit Ihnen sprechen.«
»Ich weiß«, meinte Cobb und betrachtete den jungen
Mann aus dem Schatten seiner schweren weißen Augenbrauen.
»Mach’s dir bequem. Ich bin in einer Minute
draußen.«
Das Außenbüro diente zur Schau, zum Empfang von
Besuchern und zur Unterhaltung, ohne daß man von den
Bildschirmen angestarrt wurde wie von tausend neugierigen Augen. Cobb
hatte keine Sekretärin, keine Assistenten, keinen Stab von
Lakaien, die sein Direktorat unsicher machten. Warum wertvolles
Menschenmaterial verschwenden, wenn Computer die Arbeit ebenso gut
versahen? Schreiben, ablegen, Nachrichten übermitteln, Leute per
Telefon aufstöbern, Dateien auf Informationen durchforsten
-Computer erledigten alles besser als Menschen, ohne Kaffeepause,
Krankmeldung, Gehaltserhöhung oder Langeweile.
Die Besucher waren immer baß erstaunt, daß sie
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