Die Kolonie
lehnte sich in seinem Sessel vor und
griff nach der elfenbeinfarbenen Zigarettenspitze, dann legte er sie
wieder hin. »Es war die RUV, die versucht hat, ihn umzubringen.
Ich bin für ihre Taten nicht verantwortlich.«
»Ich kann mich mit der RUV arrangieren«, sagte Bahjat
ruhig.
Er blickte zu ihr auf. »Du?« fragte er
ungläubig.
»Natürlich.«
»Was willst du damit sagen?«
Sie schien zu wachsen und stand hoch aufgerichtet vor ihm.
»Hast du je von Scheherazade gehört? Nun – ich bin
Scheherazade.«
»Du… bist Scheherazade!« Al-Hazimi wandte das Haupt
gen Himmel. »Nein… nein, das darf nicht sein! Nicht meine
eigene Tochter!«
Sie ging um den Tisch herum und kniete vor ihm nieder. »Es
ist wahr, Vater. Doch… wenn du den Architekten laufen
läßt, wird Scheherazade von der Bildfläche
verschwinden. Und ich werde wieder deine gehorsame Tochter
sein.«
Er schaute auf sie hinunter. In seinem Inneren kochte es, und er
keuchte: »Aber du… unter diesen RUV-Terroristen… und
nicht nur eine von ihnen, sondern ihr Anführer! Wie
konntest du nur, und warum?«
Bahjat lächelte düster. »Vielleicht, weil ich dir
böse war, daß du mich übersehen und mich auf die
Schule geschickt hast.«
»O nein, nein… nein.« Er bettete ihr Elfengesicht
in seine Hände. »Aber man hätte dich umbringen
können. Du wirst von der europäischen Polizei und von der
Polizei des Mittleren Ostens gejagt. Die Weltarmee…«
»Jetzt bin ich in Sicherheit«, sagte sie und neigte das
Haupt in seinen Schoß. »Scheherazade gibt es nicht mehr.
Sie hat ihr Leben für das Leben des Architekten
hingegeben.«
Er strich ihr über das glänzende schwarze Haar. »Du
wirst sehen, es ist nur zu seinem Besten. Ich trage dir nichts
nach.«
»Ich verstehe, Vater.«
Er sah, daß ihre Augen trocken waren. »Ich werde selbst
bald nach Eiland Eins reisen«, sagte er. »Es wird dir dort
gefallen. Und in einigen Wochen, höchstens in ein paar Monaten
wirst du diesen Architekten vergessen haben.«
»Wahrscheinlich«, erwiderte sie sanft.
Er hob ihr Kinn, beugte sich zu ihr hinunter und küßte
sie auf die Stirn. Bahjat hielt seine beiden Hände für
einen Augenblick lang mit ihren kleinen Händen fest, dann erhob
sie sich und verließ wortlos das Zimmer.
Al-Hazimi blieb für einen Augenblick nachdenklich hinter
seinem Schreibtisch sitzen und starrte auf die Tür, die sich
zwischen ihnen geschlossen hatte. Dann griff er zum Telefon.
Er tätigte drei Anrufe.
Zunächst rief er seinen Majordomus an und befahl ihm, alles
für Bahjats Abreise am nächsten Morgen vorzubereiten.
»Ich will, daß diese Nacht ihr Schlafzimmer bewacht
wird. Fenster und Türen. Sie schwebt in großer Gefahr, und
wenn sie heute nacht ausreißt, kostet es dich den Kopf. Ich
brauche zuverlässige Männer, verstehst du? Nicht die
bestechlichen, die den Fremden bewacht haben.«
Der zweite Anruf galt Hamud in seiner Wohnung über der
Garage. Als sein mürrisches, dunkles Gesicht auf dem Bildschirm
auftauchte, sagte Al-Hazimi: »Das ist ein Befehl. Dem Rotbart
darf nichts passieren, solange er sich in der Stadt aufhält.
Aber er wird morgen versuchen, den Flugplatz zu erreichen. Laßt
ihn durch, sobald die Maschine mit meiner Tochter gestartet
ist.«
Hamud hob die schweren Brauen. »Ihre Tochter
verläßt Bagdad?«
»Ja. Und sobald sie fort ist, wird auch der Architekt
abreisen. Auf andere Weise.«
»Ich verstehe«, sagte Hamud.
Al-Hazimi legte den Hörer auf und lehnte sich in seinem
Sessel zurück. Jetzt noch ein Anruf, dachte er. Meine
unzuverlässige Dienerin, das Mädchen Irene, und eine Strafe
dazu, die dem Verbrechen gerecht wird, das sie begangen hat.
Bahjat konnte keinen Schlaf finden. Sie lag auf ihrem Wasserbett
unter einer dünnen seidenen Decke und starrte in die Finsternis.
Sie versuchte sich Dennys Gesicht und seine Stimme vorzustellen.
Leb wohl mein Eirisch, dachte sie. Ich werde dich
niemals vergessen.
Plötzlich klopfte es an ihr Fenster, und sie setzte sich
kerzengerade auf. Dann war das Geräusch wieder da, ein einziges
Klopfgeräusch an ihrer Fensterscheibe.
Bahjat legte die Bettdecke wie einen Sarong um sich, trat ans
Fenster und öffnete es weit. Sie erblickte eine kleine, geduckte
Gestalt, die über den Balkon kletterte.
»Hamud!« flüsterte sie. »Was machst du denn
da?«
Er glitt auf sie zu und tauchte in die Schatten des Zimmers.
»Ihr Vater hat den Verstand verloren. Seine Wachen haben vor
einer Stunde Irene aus dem Haus
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