Die Kolonie
in
den letzten Jahren immer seltener gesehen hatten, und wenn sie
miteinander sprachen, so geschah dies nur, um sich mit ihr über
ihre neuesten Eskapaden auseinanderzusetzen. Es war verkehrt, sie
auf westliche Schulen zu schicken. Ich hätte auf ihre Mutter
hören und sie auf die hiesige Universität schicken sollen,
wo die Mädchen entsprechend erzogen werden.
»Vater, schick ihn nicht fort. Ich…«
»Du liebst ihn. Ich weiß es. Und er liebt dich und
möchte dich heiraten.«
»Hat er dir das gesagt?« Ihr Gesicht erhellte sich.
»Ja. Und ich sagte ihm, daß er ein Narr ist. Du gehst
nach Eiland Eins, und ich habe bereits dafür gesorgt, daß
er dir nicht folgen darf.«
»Das kannst du nicht tun!«
»Das habe ich bereits getan.«
»Ich will nicht fort, Vater. Ich möchte bei ihm
bleiben.«
Al-Hazimi schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Er
ist unerwünscht. Ich weiß, daß du mit ihm Verkehr
gehabt hast.« Er preßte die Hände auf die
Sessellehnen, daß die Knöchel weiß hervortraten.
Sie nahm den Vorwurf entgegen, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Du hast mir nachspioniert.«
»Ich habe versucht, dich zu schützen.«
»Vor der Liebe?«
»Vor lüsternen Affen, die dich ausnützen.«
»Dazu ist es bereits zu spät.«
»Ich weiß.«
»Es war schon vor einem Jahr zu spät«, sagte
Bahjat, und ihr Gesicht wirkte vor kalter Wut wie eine
Kupfermaske.
Al-Hazimi starrte sie an. »Vor einem Jahr?« wiederholte
er gepreßt.
»In Paris«, sagte Bahjat, den Spieß umdrehend,
»in der Stadt der Liebe.«
»Unmöglich. Irene hat dich keinen Augenblick allein
gelassen.«
»Sie war nicht jeden Augenblick bei mir.«
Das boshafte Lächeln seiner Tochter überzeugte
Al-Hazimi, daß sie die Wahrheit sprach. Es war das gleiche
Lächeln, das er zur Schau trug, wenn er einen seiner Gegner an
einem empfindlichen Punkt getroffen hatte.
»Und seither?«
Bahjat zuckte die Achseln.
So war also der Architekt weder der erste noch der zweite
Mann in ihrem Leben gewesen. Al-Hazimi lehnte sich in
seinem Sessel zurück und ließ die Hände in den
Schoß fallen. Irene hatte wahrscheinlich ihre eigenen
Affären, anstatt auf meine Tochter aufzupassen. Wir werden schon
sehen, wie es ihr gefällt, ein paar Monate von einem der
hungrigen Stammesbrüder in den Bergen bewacht und beschlafen zu
werden. Das dürfte sie zur Räson bringen – wenn
sie’s überlebt.
Bahjat unterbrach seinen Gedankenfluß. »Bitte, Vater,
sei ihm nicht böse. Es war nicht sein Fehler. Ich habe die
Dienerschaft bestochen, um bei ihm zu sein.«
»Gibt es denn keinen Menschen unter meinem Dach, dem ich
trauen kann?! Nicht einmal meiner eigenen Tochter?!«
»Ich war stets eine gehorsame Tochter,
ausgenommen…«
»Du warst eine Schlampe!« explodierte Al-Hazimi in
seinem überkochenden Zorn. »Eine Hure, die sich hinter
meinem Rücken von jedem hergelaufenen Affen besteigen
ließ! Du bist des Namens nicht würdig, den zu trägst!
Du hast mich verraten und unseren Namen in den Schmutz
gezogen!«
»Deinen stolzen Namen!« gab sie zurück, ohne auch
nur einen Schritt zurückzuweichen. »Wir leben in
Überfluß, während die Menschen hungern. Du dienst der
Weltregierung, die unseren Völkern die Freiheit verwehrt. Du
dirigierst einen mächtigen Konzern, der Energie an die Reichen
verkauft und die Armen auf der Straße verhungern
läßt. Geld ist für dich weit wichtiger als Ehre, und
die Macht noch wichtiger als Geld!«
»Wir sind von fürstlichem Geschlecht!« tobte
Al-Hazimi. »Es ist unsere Pflicht, die anderen zu
beherrschen!«
»Fürsten? Scheichs?« Bahjat lachte. »Ihr seid
Stadtscheichs, Geldscheichs. Wenn du die Straße der Beduinen
entlangfährst, dann tust du es nur in deinem komfortablen
Wohnwagen. Du willst ein Scheich sein? Weißt du, was du
wirklich bist? Ein Konzernscheich.«
»Ich bin ein Scheich, der an der Kontrolle der
Weltraumkolonie Eiland Eins teilhat, und dort wirst du auch hingehen.
Und das gleich morgen, ohne weitere Verzögerung. Und dein
jüngster Liebhaber, der mit dem roten Bart, wird nicht in der
Lage sein, dir zu folgen, das verspreche ich dir.«
Bahjat schaute ihm fest in die Augen, und ihr Blick drang ihm bis
ins Herz.
»Wenn ich nach Eiland Eins gehe«, sagte sie,
»versprichst du mir dann, daß ihm kein Leid
geschieht?«
»Muß ein Mann schon mit seinen Töchtern
verhandeln?« fauchte er.
»Ich werde tun, was du willst, wenn du mir nur versprichst,
daß er ungeschoren bleibt.«
Al-Hazimi zögerte. Er
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