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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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auf dem
Bürgersteig aus, und die bunten Steigen, gefüllt mit Obst
und Gemüse, tauchten wieder an den Straßenecken auf.
    Leo machte einen ziemlich zuversichtlichen Eindruck, während
er sich seinen Weg durch die Menge in der Fifth Avenue bahnte. Der
Himmel war grau von dem stinkenden Rauch der stadteigenen Kraftwerke.
Sie benutzten Braunkohle, den einzigen Brennstoff, den man sich
leisten konnte, und die Rußfilter hatten noch nie so richtig
funktioniert, soweit Leo zurückdenken konnte.
    In den Läden, die die Straße säumten, wurde all
das angeboten, was zum Leben notwendig war: Nahrungsmittel, Kleidung
sonst kaum etwas Bemerkenswertes. In den Schaufenstern posierten
lebende Modelle: Arbeitskräfte waren billig. Magere Kinder mit
wachsamen Augen betrachteten sie und beneideten sie für ihr
glanzvolles Dasein. Die krächzenden Lautsprecher der
Discountläden verkündeten ihre letzten, aber allerletzten
Angebote und Preise, die nie mehr so günstig sein würden
wie heute.
    Leo ging seinen Weg die Straße hinauf, im konservativen
cremefarbenen Anzug, angetan mit Hemd und Krawatte. Es war eine bunte
Menge, und ihre Kleidung war mindestens so farbig wie die Gesichter.
Die dunkle Farbe dominierte: der leicht olivfarbene Teint der
Spanier, die schokoladen- und kaffeebraune Farbe der Schwarzen, das
Gelbbraun der Asiaten. Man sah nur wenige Weiße und kaum einen
mit Leos purpurschwarzer Hautfarbe.
    Leo ging zielbewußt durch die Reihen der Herumstehenden und
Kauflustigen, der Taschendiebe und Drängier. Seine massige
Gestalt erzeugte automatisch eine Bugwelle von Fußgängern,
die ihm aus dem Weg gingen. Er sah aus wie ein gewaltiger Eisbrecher,
der durch die hohe See pflügt.
    Er fand die Straße, nach der er suchte, bog um die Ecke und
ging auf den Block zu. Aus den Augenwinkeln sah er, daß der
drahtige, bewegliche Lacey aus der Menge auf der anderen
Straßenseite auftauchte. Er wußte, daß auch Fade
und Jojo in der Nähe waren. Leo ging niemals allein aus.
    Die Adresse, die er suchte, entpuppte sich als ein mit Brettern
vernagelter Laden, wo früher Kaffee aus aller Welt verkauft
worden war. Nun sah das Geschäft verlassen aus. An den
Plastikvorhängen im Schaufenster klebten mindestens ein Dutzend
Plakate, und das neueste, mit der Aufschrift – DEINE STIMME
FÜR DIAZ, UND DU KRIEGST MEHR ZU ESSEN –, war mindestens
seit einem Jahr überholt. In der Toreinfahrt stank es nach Urin.
Auf dem Unrat vor dem Eingang döste ein zusammengekrümmter,
grimmiger Typ. Unter den zerschlissenen Fetzen, in die er
eingehüllt war, konnte man sein Geschlecht oder sein Alter nicht
erkennen.
    Der Flur hinter der Tür war schmutzig, schmal und finster.
Leo stieg die Treppe am Ende des Flurs hinauf, eine Hand auf dem
wackligen Geländer. Die Stufen ächzten unter seinem
Gewicht. Das Hinterzimmer, auf das er schnurstracks zuging, war
mindestens so dreckig und heruntergekommen wie der Rest des Hauses,
doch hinter einem schmutzstarrenden Tisch und einem einzigen
hölzernen Küchenstuhl war die Zimmerwand von einer Reihe
elektronischer Metall- und Kunststoffkonsolen bedeckt, deren Glanz
die ganze Wand einnahm. Glaslinsen waren zwischen den Geräten
verborgen, und alle schienen Leo anzustarren.
    Ein schlanker, dunkelhäutiger Mann mit glänzenden
schwarzen Ringellocken begrüßte Leo mit hoher, singender
Stimme. Er stellte sich als ›Raja‹ vor.
    Leo setzte sich schwer auf den alten Holzstuhl und sagte:
»Bevor die Konferenz anfängt, möchte ich mit Garrison
sprechen.«
    Raja zögerte. »Ich weiß nicht
recht…«
    Aber Leo sagte, ohne sich von seinem Stuhl zu erheben: »Du
verbindest mich jetzt mit Garrison, oder ich puste dich durch diese
verdammte Wand.«
    Raja wirbelte herum und setzte seine Geräte in Betrieb. Es
ertönte ein Summen, und plötzlich war es, als würde T.
Hunter Garrison am Ende des schmutzigen, fettigen Tisches
erscheinen.
    Leo war von der dreidimensionalen Unmittelbarkeit des Hologramms
schwer beeindruckt. Garrison lehnte in seinem Sessel und sah
gelangweilt aus. Um ihn herum flimmerte goldenes Sonnenlicht, das
sich in seiner Glatze spiegelte.
    »Was willst du eigentlich, Greer?« sagte der alte Mann
mürrisch. »Ich habe eine Menge Ärger gehabt, um diese
Konferenz auf die Beine zu stellen. Was willst du noch von
mir?«
    Leo beugte sich vor und pflanzte seine baumlangen Unterarme auf
die Tischplatte. »Du wirst noch mehr Unannehmlichkeiten kriegen,
bevor du’s überhaupt spitzkriegst. Wir beide werden

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