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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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der
Weltregierung überlassen, sich den Kopf über Sie zu
zerbrechen.«
    David meinte, ihm fiele ein Stein vom Herzen. »Das ist fein!
Großartig…«
    »Aber«, meinte Leonow und hob warnend den Finger,
»die Entscheidung liegt nicht bei mir allein. Wir müssen
mit dem Verwaltungsdirektor sprechen.«
    David verbrachte einen weiteren Tag damit, durch Selenes
unterirdische Korridore und Plätze zu streifen, bevor ihn Leonow
anrief und ihn bat, am nächsten Morgen im Büro des
Verwaltungschefs zu erscheinen.
    Das Büro war wenig beeindruckend: nichts als ein kleines
schmuckloses Zimmer mit einigen Sofas und Computerterminals. Der
Fußboden war nichts weiter als ein Rasen, und die
Leuchtröhren, die vom nackten Felsgestein der Decke baumelten,
verbreiteten ein leicht rötliches Licht.
    Der Chef war ein kleingewachsener Schwarzer, ein ehemaliger
Amerikaner namens Franklin D. Colt. Er schüttelte Davids Hand
fest, wobei er ihn mit prüfenden Blicken musterte. David hatte
das Gefühl, von einem Löwen belauert zu werden.
    Sie nahmen Platz – Leonow ganz lässig, David aber so
gespannt, daß er neben dem alten Mann auf die Sofakante
rutschte. Colt lehnte träge auf dem Sofa gegenüber.
    Nachdem David seine Lage kurz geschildert hatte, meinte Leonow:
»Wir sollten ihn nach Messina gehen lassen, wie er es
wünscht. Das ist nicht unser Bier. Wir haben nicht darüber
zu befinden, ob er nun Weltbürger oder Eigentum von Eiland Eins
ist.«
    Colts Stimme war hart und scharf. »Es dürfte den Konzern
ziemlich verärgern, wenn wir sein Eigentum nicht
zurückgeben.«
    Leonow zuckte die Achseln. »Sie scheinen zu vergessen, mein
Freund, daß ich in eine sozialistische Gesellschaft
hineingeboren wurde. Die Multis mögen ein Großteil der
Welt und ganz Eiland Eins regieren. Selbst Mütterchen
Rußland hat sich mit ihnen arrangiert. Ich aber nicht. In der
Torheit meiner zweiten Kindheit hoffe ich sogar, daß der echte
Kommunismus eines Tages durchdringen wird.«
    Colt grinste. »Glauben Sie nicht, daß wir vom
Eiland-Eins-Konzern ganz schön herumgeschubst werden
könnten?«
    »Sind wir nun ein unabhängiges Volk und ein Mitglied der
Weltregierung oder sind wir Lakaien des Kapitalismus?«
    Der Verwaltungsdirektor hob die Hand und warf David einen kurzen
Blick zu. »Ich habe nie sehr viel von diesen
Firmen-Arbeitsverträgen gehalten – sie haben mir zu viel
Ähnlichkeit mit Sklavenhalterei.«
    »Es ist wichtig, daß ich nach Messina gehe«, warf
David ein. »Ich habe wichtige Informationen für den
Direktor der Weltregierung über die Multis und ihre
Absichten.«
    »Haben Sie es satt, im Paradies zu leben?« fragte
Colt.
    »Ich habe dieses Narrenparadies satt«, erwiderte
David.
    Colt meinte mit sardonischem Lächeln: »Schön, dann
müssen Sie halt auf die Erde. Messina ist ein guter
Ausgangspunkt. Aber sie müssen noch weiter.«
    »Weiter? Wohin denn?«
    »Hinaus in die sizilianischen Berge, wo es immer noch
Blutrache gibt und wo die Leute Holzpflüge noch benutzen, um die
Steine von ihren Feldern zu räumen. Gehen Sie in die Sahelzone,
die durch Hungersnöte nahezu entvölkert ist. Oder nach
Indien, wo man die Toten allmorgendlich wegkarrt, den Abfall aber am
Straßenrand liegen läßt. Oder in eine der
amerikanischen Großstädte, wo ich geboren wurde, wo die
Armen in den verlassenen Straßen ihr kümmerliches Leben
fristen, während jeder, der es sich nur einigermaßen
leisten kann, in den Vororten wohnt. Es ist eine herrliche Welt. Sie
wird ihnen gefallen.«
    David starrte ihn entgeistert an. »Aber… wenn es dort
unten so entsetzlich aussieht, warum versucht man nicht, Abhilfe zu
schaffen?«
    Leonow seufzte, und Colt lachte bitter.
    »Wir haben schon was unternommen. Wir haben einen Atomkrieg
verhindert und haben zur Bildung der Weltregierung beigetragen.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir zugelassen
hätten, daß sie sich gegenseitig ausrotten, dann
hätten sie’s jetzt hinter sich.«
     
    Bahjat segelte unter einem kobaltblauen Himmel dahin, der mit
leichten Kumuluswolken betupft war. Sie spürte, wie sich ihr
Körper in der warmen Mittelmeersonne entspannte im schaukelnden
Rhythmus des Schoners, der die Wellen durchpflügte.
    Aber ihr Geist konnte keine Ruhe finden. So oft sie die Augen
schloß, sah sie den Hubschrauber explodieren, sah die
brennenden Trümmer vor sich, die über den Himmel wirbelten
und ihre Liebe unter sich begruben, bevor sie richtig aufgeblüht
war.
    Sie hatte in dem Monat seit Davids Tod kaum

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