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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Verhältnisse völlig ruhig, ja, fast ausgeglichen. Ich fragte ihn nach dem Teleskop, und er erklärte mit der Gelassenheit eines Maklers bei seinem zehntausendsten Deal, dass das Geschäft mit Whistler bald über die Bühne sei. Auch über das Auto erteilte er mir Auskunft. Die Sache mit dem Schaden musste er noch regeln, der Wagen war nicht kaskoversichert gewesen – dumm von uns, bei einer kleinen Firma zu mieten, die solche Verträge noch zuließ –, und so wurde die Sache jetzt wohl sehr teuer.
    Erst an dieser Stelle verstand ich: Tom blieb gar nichts anderes übrig, als mit Whistler ins Geschäft zu kommen. Er sagte, sobald er wieder zu Hause sei, werde Sid Koenig für die Besichtigung nach Deutschland kommen, und das sei dann wohl das Ende der Geschichte.
    So weit Tom. In gewisser Weise hatten sich durch äußere Zwänge die meisten seiner Probleme in Luft aufgelöst. Einen Moment überlegte ich, ob ich ihm überhaupt erzählen sollte, wo ich war. Schließlich sagte ich: »Hör mal, Tom«, und dann erzählte ich ihm die ganze Geschichte – chronologisch, genau wie sie mir passiert war. Als ich endlich zu der entscheidenden Begegnung kam, wurde es still in der Leitung.
    »Tom, bist du noch dran?«
    »Ja. Erzähl weiter.«
    Ich berichtete ihm von Livingstons Haus. Von seiner Wasserstelle. Von den Familienfotos. Von dem Observatorium, das ich gesehen hatte.
    »Ich dachte, das würde dich interessieren«, sagte ich abschließend.
    Vom anderen Ende der Leitung hörte ich so etwas wie ein ungläubiges Stöhnen.
    »Du hast das nicht für mich erfunden, oder?«
    »Nein. Aber wo soll ein Kometenjäger schon wohnen, wenn nicht in der hintersten Ecke von Arizona?«
    »Und du wolltest einfach nur in die Wüste fahren?«, fragte er.
    »Ja, natürlich wusste ich nicht, wo er wohnt.«
    Jetzt lachte er plötzlich, und ich lachte mit. Ich erzählte ihm von der Gegend, ich sagte ihm, dass es hier goldene Berge gebe, Canyons und rennende Vögel. Ich weiß nicht, ob er sich wirklich ein Bild machen konnte.
    »Und du hast seine Ausrüstung gesehen?«, fragte Tom.
    »Ja, es sind nur ganz gewöhnliche Teleskope.«
    Ich meinte fast zu sehen, wie Tom den Kopf schüttelte.
    »Hast du nicht eine Frage vergessen, Tom?«
    »Was denn?«
    »Du hast mich gar nicht gefragt, wie der Himmel hier ist.«
    »Ich …hab nicht gedacht, dass du darauf geachtet hast.«
    »Ich hab darauf geachtet.«
    »Und?«
    »Besser als eine sieben. Livingston sagt, es ist der dunkelste von Arizona.«
    Am Ende der Leitung herrschte wieder langes Schweigen.
    »Meinst du …«, begann er stockend. »…Ich muss sowieso aus Flagstaff aufbrechen.«
    »Tom, das wollte ich dir vorschlagen. Mach doch einfach einen Abstecher.«
    Die Aussicht, einen Fan zu treffen, löste wenig Begeisterung bei Livingston aus, wenn ich die wenigen Worte, die er darüber verlor, richtig deutete. Er sagte nicht direkt, dass er etwas dagegen habe. Er warf nur einen Keks mit Cremefüllung in Richtung des Beagle und erwähnte, dass früher häufig Kollegen und Gleichgesinnte in seinem Haus ein und aus gegangen seien, aber »das ist schon eine Weile her«, und das war alles, was er zu diesem Thema sagte.
    Auch Tom schien sich Sorgen zu machen. Als er zwei Nachmittage später wirklich mit dem Bus Tucson-Albuquerque auf einer staubumwehten Haltestelle in San Simon auftauchte, musste ich lachen. Auf dem Rücken trug er immer noch den Rucksack mit seiner ganzen Ausrüstung und im Gesicht das zerknirschteste Lächeln, das ich je an ihm gesehen hatte. Er begrüßte mich mit einem befangenen Winken, als fürchtete er immer noch, von mir die verdiente Abreibung zu bekommen.
    »Hey Tom«, sagte ich.
    »Hey«, sagte er.
    »Kann ich dir was abnehmen?«
    »Ja gerne.« Er gab mir das Kleingepäck und folgte mir zu dem älteren umbrafarbenen Pontiac, dessen Kofferraumdeckel ich öffnete.
    »Wem gehört das Auto?«
    »Mr. L.«, sagte ich.
    Er nickte nur und machte einen Ausdruck, als ob er »Oh« sagen wolle, brachte aber keinen Ton hervor. Die Sonne stand hoch am Himmel, und New Mexico lag im gleißenden Mittagsdunst.
    »Das ist eine schöne Gegend hier.«
    »Du musst erst mal in die Berge reinfahren. So was hast du noch nie gesehen.«
    »Was sollen wir jetzt machen?«
    »Ich denke, wir fahren direkt rauf zu ihm.«
    »Hast du ihm gesagt …«
    »Ja, er weiß, dass du kommst.«
    Auf der Fahrt versuchte er mir von seinen Tagen bei den Loebs zu erzählen, aber er fiel immer wieder in angespanntes Schweigen

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