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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Schleier, sondern ein anderes Objekt, etwa fünf Bogensekunden von diesem entfernt. Es war viel unauffälliger, klein, diffus und rund, aber nicht punktförmig.
    Zwei falsche Kometen in unmittelbarer Nachbarschaft? Das hätte ihm schon früher auffallen müssen. Livingstons Herz begann schneller zu schlagen. Er kramte in seiner Tasche, fand einen Bleistift, aber keinen Notizblock und kritzelte das Bild der beiden Nebel auf die Unterseite einer Keksschachtel. Für den Rest der Nacht war an Schlaf nicht mehr zu denken. Livingston versuchte, den Bart und seinen Begleiter so lange wie möglich zu beobachten – aber daraus wurde nichts. Gegen null Uhr bemerkte er, dass Wolken heraufzogen. Sein Fund verschwand hinter einem undurchdringlichen grauen Film. Als gegen drei Uhr morgens ein bleicher Mond aufging und Livingston in dem raschen Wolkengetriebe eine Lücke fand, sah er nur noch Hubbles Nebel, das unidentifizierte Objekt war verloren.
    An den folgenden Tag hatte Livingston kaum noch Erinnerungen. Er wusste nur, dass es ein langer Tag war. Er teilte seine Beobachtung mit niemandem. Er kannte all die Falschmeldungen, die täglich bei den astronomischen Behörden eingingen. Menschen, die ein Gespenst gesehen hatten oder einen vor zweihundert Jahren entdeckten Kugelsternhaufen. Ohne eine seriöse Folgebeobachtung, ohne Richtung und Geschwindigkeit konnte er den Kometen nicht melden. Was aber, wenn ein anderer Jäger in einer früheren Zeitzone ihm zuvorkam? Was wenn einer der scharfsichtigen Japaner ihn schon im Visier hatte?
    Die Dämmerung brach früh herein, aber Livingston musste sich gedulden, bis das ganze Einhorn aus der dunstigen Luft am Horizont in klare Höhen geklettert war. Er machte seinen Zwölfzöller fertig, visierte Prokyon an, den hellen Stern im kleinen Hund, dann dessen Nachbarn Gomeisa, bewegte sich zehn Grad nach Westen und fand Hubbles Nebel – ohne jede Spur eines Kometen. Das hatte Livingston erwartet. Wenn er Recht hatte, dann hatte sich der Komet gestern zwischen null und drei Uhr direkt über den Nebel bewegt und war deshalb unsichtbar gewesen. Er musste das Teleskop also nur etwa ein halbes Grad weiter nach Westen drehen, um etwas Diffuses zu sehen. Livingston wusste, dass dies seine einzige Chance war. Er zwang sich, das Teleskop ruhig zu bewegen und sah, wie die Sterne im Hintergrund durch sein Bild jagten. Dann blieb er stehen. Fast in der Mitte des neuen Ausschnitts befand sich ein unidentifizierter kleiner Staubball, der ihn unschuldig anleuchtete. Sein Staubball. Zwölf Jahre nach dem Auftauchen von Ikeya-Seki über dem Michigan-See war die Suche zu Ende.
    »Der erste ist für jeden Jäger der wichtigste« schloss er seinen Bericht. »Wenn Sie den ersten gefunden haben, dann wird es leichter.«
    »Haben Sie ihn wiedergesehen seit damals?«
    »Nein. Er braucht ein paar tausend Jahre für einen Um lauf.«
    Livingston betrachtete schweigend die Reihe der Schildchen auf dem Teleskop, als wunderte er sich selbst von neuem über seinen Erfolg.
    »Es ist seltsam«, sagte er. »Alle meine Kometen haben sehr weite Bahnen. Ich habe wohl kein besonderes Händchen für Rückkehrer.«
    »Können Sie sich denn noch an jeden erinnern?«, fragte ich.
    »Aber ja, natürlich. Sie finden sie ja nicht nur. Sie begleiten sie auch, so lange Sie können.«

KAPITEL 6

    A lles was ich tun musste, um Tom zu finden, war die Nummer von John Loeb zu wählen.
    »Ach, der andere Herr aus Deutschland«, rief der Büchsenschmied erstaunt. »Jaja, ihr Freund ist immer noch in Flagstaff. Ich habe ihn mit meinem Wagen aus dem Graben gezogen. Frage mich immer noch, wie er da überhaupt hineingekommen ist. Na, auf jeden Fall haben wir das Auto wieder flottgekriegt. Die ganze Elektrik war hinüber. Es hat ein paar neue Zündkerzen gebraucht. Und einen Scheinwerfer. Wir haben ihn wieder auseinandergezogen und halbwegs ausgebeult.«
    »Und, wo ist er jetzt?«, fragte ich.
    »Der Wagen?«
    »Nein, Tom.«
    »Na, wo schon? Bei mir. Mr. Whistler hat ihm angeboten, den Flug nach Los Angeles zu bezahlen, aber er hat abgelehnt. Er will mit dem Wagen zurückfahren. Ihr Freund kann ziemlich stur sein.«
    »Ich weiß. Hören Sie, ist Tom irgendwo in der Nähe.«
    »Ich glaube, er spielt draußen mit den Kindern. Werde mal nachsehen.«
    Tom klang anders am Telefon. Ich erkannte ihn kaum wieder. Er war weder böse auf mich, noch zeigte er irgendeine Form von Freude oder Überraschung darüber, dass ich mich meldete. Er schien für seine

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