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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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so konnte man wirklich meinen, er betete. Er erwies dem Sternenhimmel seine Reverenz – in aller Demut.
    Wie ich nun sah, hatte ich immer ein falsches Bild von der Jagd gehabt. Ich hatte das Wort »Jagd« zu wörtlich genommen und dabei an eine Eroberung, an ein stolzes Vordringen gedacht, aber es war im Grunde genau das Gegenteil. Der Jäger näherte sich dem Himmel wie ein Bedürftiger. Er sehnte sich nach einem Blick auf die andere Seite, nach einer Erfahrung, die ihn vervollständigte. Und wie in jede religiöse Verrichtung war auch in diese eine tiefe Sehnsucht eingeschrieben, eine Sehnsucht, die sich nicht abstellen ließ. Warum musste man Kometen jagen? Toms Anblick brachte mir bei, dass es nicht so sehr auf das »warum« ankam, entscheidend war das »müssen«.
    Livingston gegenüber hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen. Er musste denken, er würde uns nie wieder loswerden. Jeden Abend, beim ersten Anzeichen der Dämmerung, verabschiedete sich Tom auf den Hügel, während ich auf der Veranda ein Bier trank oder meinen Block vollzeichnete. Manchmal studierte ich auch die Buchrücken in der Vogelbibliothek, zog ein paar Bände heraus und legte mich damit ins Bett – um dann gegen drei oder vier in der Nacht von meinem Freund geweckt zu werden, der todmüde und glücklich auf die Matratze neben mir fiel, im Gesicht ein seliges Lächeln, als wäre er nicht mehr bei Trost. Unsere Flüge nach Deutschland waren ohnehin verfallen, das Thema unserer Abreise hatte sich immer mehr im durchsichtigen Äther über Livingstons Hütte verloren. Kein Kojote heulte mehr danach.
    »Ich kann nicht mehr ewig in diesem Zimmer schlafen. Das ist verdammt teuer«, klagte ich am vierten oder fünften Nachmittag. Tom blinzelte mich aus kleinen Augen an. Er war erst gegen Mittag in der Vogelranch aufgetaucht – mit Livingstons Auto. »Und sag mal, wo hast du überhaupt geschlafen?«
    »Ich hab nicht geschlafen.«
    »Und das willst du jetzt jede Nacht so machen?«
    »Livingston sagt, er hat einen geräumigen Dachboden. Da können wir schlafen.«
    »Wann hat er das gesagt?«
    »Heute Morgen. Ich habe ihm den Schlüssel zurückgebracht, und er hat mir Frühstück gemacht.«
    »Oh Gott«, sagte ich. »Er wird denken, dass er dich nie mehr loswird!«
    »Ich glaube, er kann mich gut leiden.«
    »Er ist zivilisiert. Das ist alles.«
    »Er kann dich auch gut leiden.«
    »Wir sollten seine Gastfreundschaft nicht ausnützen.«
    »Dir gefällt es doch auch hier«, sagte Tom.
    Ich schüttelte den Kopf und ging auf den Dielen der Veranda auf und ab. »Livingston ist furchtbar nett zu uns. Er kann nicht Nein sagen.«
    »Vielleicht will er gar nicht Nein sagen«, erwog Tom.
    »Er ist kein Hotel.«
    »Und wir sind keine Touristen. Wir sind für ihn wie Verwandte.«
    Tom hatte Recht. Livingston konnte mich gut leiden, zum Glück, denn so leistete mir abends jemand Gesellschaft. Anstatt Tom zu begleiten oder sich um seine Teleskope zu kümmern, bewirtete er mich in seiner Wohnstube und verwickelte mich in Gespräche – über Deutschland, über mein zu Hause und meinen Beruf, über meinen Blick auf Amerika. Ich hielt meinen Blick auf Amerika nicht für neu oder wesentlich, aber er erkundigte sich trotzdem, und ich glaube, etwas in meiner kindlichen Begeisterung für die Größe der Canyons und die Weite der Landschaft amüsierte ihn, vielleicht erinnerte es ihn sogar an seine ersten eigenen Eindrücke dieser Gegend.
    Mit der Zeit begann er auch, mir von sich und seiner Familie zu erzählen. Seine verstorbene Frau war Grundschullehrerin gewesen und passionierte Malerin. Von ihr stammten die Landschaften in Öl, die viele der Zimmerwände zierten. Seine Tochter hatte früher den Dachboden bewohnt, in dem Tom manchmal schlief. Jetzt lebte sie in Douglas, der einzigen größeren Stadt in der Nähe, direkt an der mexikanischen Grenze, und arbeitete in einem Callcenter – ein für diesen Landstrich durchaus typischer Job: Nach dem Niedergang der Kupferminen, die früher das gesamte Grenzland ernährt hatten, gab es nicht mehr viel zu tun. Man züchtete Wassermelonen auf den Feldern im Norden, man gründete Hotels für die Vogelkundler, oder man schlug sich im schlechtbezahlten Service-sektor von Douglas durch.
    Ich hatte selbst die Gelegenheit, Douglas kennenzuler nen, als ich mit Tom Besorgungen machte. Es war eine unansehnliche Stadt, deren wenige historische Gebäude an ihre bewegte Vergangenheit als Luftwaffenbasis, Kupferschmelze und Schauplatz

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