Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
Vom Netzwerk:
Sie selbst gesagt.«
    »Ein Hintertürchen«, sagte Livingston. »In der Nähe der Sonne, gibt es noch ein paar Flecken für uns. Aber wie viele visuelle Entdeckungen wird es noch geben. Eine im Jahr? Eine Maschine kann in einem Jahr tausende von neuen Himmelskörpern entdecken. Tausende! Im Vergleich dazu ist alles, was wir geleistet haben, eine Fußnote.«
    »Das glauben Sie wirklich?«
    »Ich glaube es nicht. Es passiert schon!«
    Livingston schwieg eine Weile und betrachtete die zu beiden Seiten der Milchstraße über uns ausgebreiteten Flügel des Schwans.
    »Ich habe alldem so viel Zeit gewidmet. Vielleicht ist das jetzt die gerechte Strafe.«
    »Wieso sollten Sie bestraft werden?«
    »Ich hätte meine Familie zusammenhalten können, anstatt hierzusitzen. Ich sollte bei meiner Tochter sein oder an der Universität in Tucson. Ich könnte Sozialarbeit leisten oder etwas Ähnliches. Irgendetwas an die Gesellschaft zurückgeben, bevor ich endgültig blind und unnütz werde.«
    Ich sah ihn eine Weile entsetzt an.
    »Aber Ihre elf Kometen werden immer Ihren Namen tragen«, sagte ich. »Das ist unauslöschlich.«
    Livingston lächelte so rücksichtsvoll, als müsste er mich trösten. »Sie irren sich. Sie sind schon jetzt verschwunden.«

KAPITEL 9

    I n den ausgetrockneten Flussbetten am Fuße der Chiricahua Mountains war die Hitze ein Naturereignis. Tom und ich mussten die Vogelkunde aufgeben. Sämtliches Getier hatte sich in Höhlen, unter die Erde oder an einen der wenigen Schattenplätze unter den Kreosot- und Palo-Verde-Büschen verzogen. Von den wenigen natürlichen Wasserbecken, die Tom und ich vor kurzem noch beobachtet hatten, war nun nichts mehr zu sehen. Wir stolperten über heiße Steine, sahen hier und da das Skelett einer Maus oder eine Klapperschlangenhaut, und einmal konnte ich mich sogar bücken, um von dem weißen glühenden Stein den leeren Panzer einer verendeten Schildkröte aufzulesen. Ich dachte jetzt manchmal an Deutschland. Ich dachte auch an Geld. Ich konnte meine Abreise nicht mehr viel länger hinauszögern. Nach dem Rückflug musste ich ja noch die erste Zeit in Deutschland überstehen, ohne zu verhungern.
    Tom dachte überhaupt nicht an Abreise. Er wollte auch nichts davon hören. Nun seien wir schon hier. Wir sollten mindestens so lange bleiben, wie es das Besuchervisum erlaube – volle drei Monate.
    Und das Geld?
    Ach, sagte Tom. Er lasse sich von Whistler einen Vorschuss oder so etwas auszahlen.
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, erwiderte ich. »Wir lassen uns hier von Livingston durchfüttern.«
    »Ach was«, sagte Tom. »Er mag uns.« Und er wollte nicht mehr darüber sprechen.
    Die Wolken bemerkten wir an einem frühen Abend nach einem unserer Ausflüge. Wir saßen mit zwei Flaschen Limonade auf der Vortreppe des Gemischtwarenladens und spürten, wie ein leiser Wind aufkam. Lose Stückchen Wacholderrinde wirbelten vor uns durch den Staub. Und über der nordöstlichen Ebene hinter den Bergen von New Mexico sammelte sich eine Dunkelheit, die nicht die Dunkelheit der Nacht war.
    Später, auf dem Weg zu Livingstons Haus, sahen wir Lichter, die geräuschlos über den verfinsterten Himmel zuckten und das aufgetürmte Dunkel von hinten erleuchteten.
    Ich schlief jetzt auch auf dem Speicher, da ich mir die Ranch nicht mehr leisten konnte. Während ich wach lag, hörte ich, dass der Wind immer heftiger gegen die Dachfenster drückte. Tom war draußen wie immer. Gegen eins oder zwei wa ren wieder die zuckenden Lichter zu sehen, und der Donner schien näher zu kommen. Ich wartete so lang, bis ein Donnerschlag die Scheibe über mir zum Zittern brachte. In dem jähen Aufleuchten sah ich Toms leere Matratze. Das Gewitter musste fast über uns sein. Was zum Teufel trieb er noch da draußen? Ich warf die Decke beiseite und zog mich an.
    Das gewaltige Unwetter hatte sich bereits über uns zusammengebraut. Der Hügel hinter Livingstons Haus lag im Dunkeln. Tom musste die Lichterkette ausgeschaltet haben. Ich ging eilig hinauf, immer bemüht, in der Mitte des unsichtbaren Wegs zu bleiben. Zeitweilig war es so dunkel, dass ich meine Jacke ausziehen und als Schild vor mir hertragen musste, um nicht ungeschützt in Dornbüsche hineinzulaufen.
    Als ich endlich oben angekommen war, saß Tom tatsächlich noch auf seinem Beobachtersessel. Er hatte das Dach der Hütte geöffnet und sah in die brausende Finsternis hinauf.
    »Was machst du denn noch hier?«, rief ich.
    »Auf den Regen warten. Sieh dir das

Weitere Kostenlose Bücher