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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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an Tom schien das schlechte Wetter zu nagen. Morgens, in der Zeit, die er gewöhnlich verschlief, wusste er nichts mit sich anzufangen. Abends verfiel er in ein dumpfes Brüten und studierte den Himmel mit einer Miene, als könnte er es sich nicht leisten, nur eine einzige Nacht zu verlieren.
    Nun war er derjenige, der Gesellschaft brauchte. Und während Livingston meinen Freund nach Kräften mit alten Geschichten unterhielt, fühlte ich mich noch überflüssiger. Draußen ergossen sich Sturzfluten auf meine Sitzbank unter dem Dachgiebel. Mein Skizzenbuch blieb zugeschlagen. Der Beagle öffnete kaum noch ein Auge, wenn ich ihn rief.
    Oben auf dem Dachboden zog ich erneut den Vorhang beiseite. Diesmal entfernte ich den großen Keilrahmen von der Staffelei und ersetzte ihn durch den kleinsten, den ich finden konnte. Dann trug ich die Staffelei mitsamt Rahmen zum Dachfenster hinüber. Livingston hatte das Licht auf dem Hügel angelassen. Die roten Lämpchen verschwammen hinter dem dunkelgrauen Regenvorhang zu einer impressionistischen Studie. Ich suchte eine rote Farbtube in der Schachtel, fand ein deckendes Zinnober, drückte etwas davon auf die Mischpalette, verstrich es mit einem feinen, runden Borstenpinsel und malte einen winzigen roten Punkt auf die leere Leinwand.
    Draußen hatte das Gewitter aufgehört. Ich hörte Tom unten die Tür zuwerfen – er verlor wirklich keine Sekunde. Ich malte auch noch einen zweiten und einen dritten roten Punkt und betrachtete zufrieden die Plastizität und Rundheit der Punkte. Jetzt fiel mir auf: Schon der Anfang war verkehrt! Ich hatte wenig Erfahrung mit Öl – natürlich würden die roten Punkte später von dunkleren Farbschichten überdeckt. Ich ging noch einmal in die Ecke und kramte in den Farben. Nach einigem Suchen fand ich ein Flüssigschwarz, das als Grundierung taugte.
    Mit dem breitesten Pinsel, den ich finden konnte, bemalte ich die Leinwand in regelmäßigen Bahnen, so lange, bis sie ganz schwarz war. Dort wo die Punkte gewesen waren, vermischte sich ihr feuchtes Grellrot mit dem Schwarz zu einem unterdrückten Glühen.
    Das Haus war still geworden. Nicht einmal der Fernseher schien noch zu laufen. Die Ruhe in dem fremden, leeren Haus war geradezu unheimlich – bis auf ein leises, anhaltendes Winseln, das von unten kam, war nichts zu hören. War Livingston zu Bett gegangen und hatte den Beagle ausgesperrt?
    Ich ging über die Treppe nach unten und fand die Couch leer vor, die Schalen mit Crackern und Getränken standen unaufgeräumt vor dem blinden Fernsehgerät. Das wunderte mich. Wenn Livingston zu Bett ging, räumte er immer auf. Der Beagle stand an der Terrassentür und sah mich vorwurfsvoll an. Dann bellte er in meine Richtung, wandte sich wieder der Tür zu und kratzte an dem Glas.
    Was zum Teufel trieb Livingston? Und wo war Tom? Es mochte auf eins zugehen, die Mitte der Nacht war eigentlich nicht seine Zeit. Ich öffnete die Verandatür, der Beagle schoss hinaus in Richtung des Hügels und der Lichterketten, die still in der Nacht leuchteten. Über uns war ein großes Fenster offenen Firmaments. Ich folgte dem Hund den Hügel hinauf. Dort, wo Stufen waren, kletterte ich behutsam über die vom Regen glitschigen Steine, so lange, bis ich fast oben war und mich erneut über die Stille wunderte. Normalerweise hörte ich an dieser Stelle ein leises Quietschen, das Geräusch des Teleskops, das alle paar Sekunden weitergeschoben wurde. Diesmal hörte ich gar nichts. Ich ging die letzten paar Schritte und sah statt einer Gestalt in der Hütte zwei Gestalten. Eine saß und eine stand daneben und redete aufgeregt.
    Es war Livingston, der auf dem Stuhl saß und gerade durch den Refraktor in Richtung des westlichen Horizonts sah. Und Tom redete in leisen Tönen auf ihn ein, schien ein Bild zu beschreiben, genau wie er es damals bei mir getan hatte.
    »Was macht ihr da?«, fragte ich – es rutschte mir heraus wie ein Vorwurf.
    »Es ist etwas passiert«, sagte Livingston. Seine Stimme war anders als sonst, heiser und zugleich ausdruckslos. Ich hatte das Gefühl, dass er um Fassung rang. Tom sagte gar nichts. Er rückte nur ein Stück von dem Teleskop ab, was ich als Einladung verstand. Ich drängelte mich neben Livingston in die enge Hütte und schaute durch das Okular.
    Was ich sah, glaubte ich bereits zu kennen. Es war ein sehr heller Stern im Zentrum des Bildes. Allerdings war er wie von einem staubigen Mantel umhüllt. Ein normaler Stern war das nicht. Und für

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