Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
Fernsehen. Manchmal fangen sie auch an zu schießen.«
Ich sah sie entsetzt an. »Die schießen auf einen?«
»Ach was, sie schießen nur aufeinander.«
Die Mittagszeit verbrachte ich in einem permanenten Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen, Fernsehen und kleinen Besorgungen. Tom tat gar nichts, er schwebte in einer Trance, die entweder der Müdigkeit oder den Ereignissen des gestrigen Abends geschuldet war. Kurz nachdem das Mädchen mit dem Rennrad verschwunden war, war es noch zu einem Gespräch zwischen Tom und Dobson gekommen. Ich glaube, sie hatten über kosmisches Recycling oder etwas Ähnliches geredet – Dobson war ein Gegner der Urknall-Hypothese und hing der Idee von einem ewigen Kreislauf aus Werden und Vergehen an. Etwas in der Richtung erzählte mir Tom jedenfalls. Es hatte ihn so beeindruckt, dass unser Geschäft darüber ganz in den Hintergrund zu geraten drohte. Ich versuchte ihn daran zu erinnern.
»Hör mal«, sagte ich. »Dieser Feuerwehrmann mit dem wir gesprochen haben.«
»Chris.«
»Ja. Der hat gesagt, er weiß vielleicht, wer Koenigs Käufer ist.«
Tom betrachtete mich erstaunt.
»Und?«
»Er hat mir von einem Mann namens Whistler erzählt. Anscheinend kauft er ziemlich viele der antiken Teleskope. Irgendein reicher Typ.«
»Dann ist er ein Sammler oder so was«, sagte Tom mit nachdenklicher Miene.
»Ja, vielleicht hast du genau den Van Gogh, der ihm zu seinem Glück noch gefehlt hat.«
»Koenig will nachher noch mal mit mir sprechen«, sagte er. »Ich muss ihn anrufen.«
»Was wirst du ihm sagen?«
»Vielleicht sprech ich ihn darauf an.«
»Mach das bloß nicht.«
Natürlich googelten wir Whistler, was hätten wir auch Besseres tun sollen. Glaubte man dem Internet, dann gab es im Valley nur einen bekannten Industriellen dieses Namens. Aus den zufälligen Informationen, die wir fanden, konnten wir uns eine bruchstückhafte Biografie des Mannes zusammenreimen. Er hatte den inzwischen zu einem größeren Konsortium gehörigen Luftfahrtkonzern Schott & Whistler gegründet und bis vor wenigen Jahren geführt. Die Details seines Wirkens waren allerdings in all dem Wirtschaftsenglisch gnädig verschlüsselt. Wir lasen von Firmenzukäufen und Verkäufen, von Fusionen, strategischen Partnerschaften, Standortverlagerungen, Forschungszentrumseröffnungen in Irland und Singapur und staatlichen Großaufträgen. Die eigentlichen Produkte von Schott & Whistler mussten wir lange suchen: Triebwerke – für die zivile Luftfahrt und für Kampfjets, für Mittelstreckenraketen, für Transportflugzeuge. Mein Entsetzen wuchs mit jeder Zeile.
»Der Typ hat mehr Menschen auf dem Gewissen als die Beulenpest«, sagte ich, während Tom wortlos auf den Monitor starrte.
»Und was meinst du, hat er mit dem Teleskop vor?«
»Was soll er damit vorhaben?«, fragte ich. »Das ist doch jetzt nebensächlich.«
»Ist es nicht.«
»Er wird durchgucken. Oder er wird es in den Speisesaal seines Schlosses stellen.«
»Was glaubst du?«
»Ich weiß es nicht. Du kannst ja Koenig fragen. Aber er wird es dir wohl kaum sagen.«
»Und was hältst du davon, dass dieser Whistler nicht direkt mit uns spricht?«
»Das ist normal. Bei den großen Auktionen bleiben die Käufer auch im Hintergrund.«
Tom sah plötzlich unglücklich aus. »Du meinst bei den Kunstauktionen …«
»Jetzt komm«, sagte ich. »Was hast du gedacht: Dass er es wirklich benutzt?«
»Chris hat doch immerhin gesagt, er baut ein neues Observatorium, oder nicht?«
Ich lachte: »Dich stört überhaupt nicht, dass er Waffen herstellt. Dich stört nur, dass er ein Sammler ist.«
»Mich stört beides«, rief Tom entrüstet.
»Und was willst du machen? Einen neuen Käufer können wir nicht suchen!«
»Nein, aber wir könnten wenigstens mit ihm reden!«
»Das wird Koenig nie und nimmer zulassen.«
»Es ist unser Teleskop. Wir machen die Bedingungen. Hast du selbst gesagt!«
Sich mit Tom weiter zu streiten war sinnlos. Ich konnte mir ebenso gut die Dauerwerbesendung ansehen, die im Hintergrund auf dem Fernseher lief. Ein durchtrainiertes Paar, das in Lycrahosen elektronische Massagegürtel anpries. Eigentlich hatte ich mir für diesen Tag vorgenommen, ein wenig aus der Stadt hinauszufahren, bis zur Wüste oder an der Küste entlang, aber ich war irgendwie zu müde.
Tom nestelte einen Zettel aus der Hosentasche und betrachtete ihn zerstreut.
»Soll das ein J sein?«, sagte er zu sich selbst.
»Was ist das?«
»Eine
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