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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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telefonierten mit strassbesetzten Handys. Im Bus wurde geturtelt und gelacht wie auf einer Klassenfahrt. Verstohlene Küsse in allen Reihen. Die intime Atmosphäre schüchterte mich ein. Und da ich nicht recht wusste, was ich sagen sollte und es ein wenig unheimlich fand, so dicht bei Claire zu sitzen, sah ich konzentriert aus dem Fenster.
    »Bringst du uns zu einer Gruppenhochzeit?«, fragte ich.
    »Nein, keine Angst.«
    Der Bus kletterte gemächlich den Berg hinauf. Meine Hände, darauf bedacht, auf meiner Seite zu bleiben, verknoteten sich irgendwie in meinem Schoß. Draußen dunkelte es. Wir durchquerten einen kleinen Canyon, in dem toskanisch anmutende Zypressen wuchsen, dann eine trockenere Zone mit kargem Buschland und schließlich einen kleinen Laubwald, der mit ein wenig Fantasie wie ein deutscher Wald aussah. Es war eine interessante Mimikry. Die kalifornische Landschaft war so unspezifisch, dass sie sich in meiner Einbildung in jede andere verwandeln konnte – die perfekte Filmlandschaft. Claire bestätige meine Beobachtung. Tatsächlich hatte dieser Park den Filmstudios früher für nahezu sämtliche Außenaufnahmen gedient. Er war Sizilien, er war der Wilde Westen. Wenn es sein musste, war er auch die Schweiz. Höher und höher kletterte unser Bus, während ich versuchte, draußen Ähnlichkeiten mit der Schweiz auszumachen. Nach einer Viertelstunde hielten wir auf einem dunklen Parkplatz. Wir mussten inzwischen hoch oben sein. Ich sah Claire fragend an.
    »Endstation«, sagte sie.
    Wir stiegen als Letzte aus dem Bus aus und waren sofort von Vogelgezwitscher umgeben. Hinter uns waren die olivgrünen Berge, vor uns begann ein kleiner Park, diesmal allerdings kein wilder, sondern ein europäisch geordneter mit Wegen und geometrischen kleinen Rasenflächen. Im Zentrum der sternförmig angeordneten Wege befand sich ein Denkmal, ein sich nach oben verjüngender Turm oder Obelisk. Am Ende des Gartens, seine gesamte Breite einnehmend, stand eine prächtige weiße Villa. Ihre schlanken Fensterrechtecke leuchteten in tiefstem Gold, Scheinwerfer malten von unten strahlende Säulen auf die Fassade. Das goldene Licht übte in der Abenddämmerung einen magischen Sog aus. In der Mitte des symmetrischen Gebäudes wölbte sich ein großes schwarzes Kuppeldach, zwei kleinere Kuppeln saßen an den Enden und flankierten das Gebäude auf beiden Seiten wie Wachtürme.
    »Ist das ein Observatorium?«, fragte ich Claire
    »Wie sieht es denn aus?«
    »Nicht wie die Observatorien, die ich kenne.«
    Wir gingen durch den Park auf die goldenen Fenster zu. Erst als wir uns dem Abhang näherten, kamen die Lichter der Stadt zum Vorschein. Das Gebäude thronte über Los Angeles wie eine Königsresidenz. Auf halber Strecke zum Eingang lotste mich Claire zu einem Denkmal, das etwas verloren am dunklen Rande des Parks stand. Der Bronzekopf eines jungen Mannes. Eine Inschrift auf dem weißen Sockel lautete: »James Dean«.
    »Was hat er hier zu suchen?«, fragte ich.
    »Rebel Without a Cause. Der Schluss spielt genau hier.«
    »Ach was«, sagte ich und drehte mich einmal im Kreis. Ich erinnerte mich dunkel: Ein junger Mann mit einer roten Jacke, viele Polizeiautos und dieses Gebäude in der Dämmerung. Aber ich hatte das Observatorium aus dem Film viel kleiner in Erinnerung. Nicht wie einen Palast.
    Ich nickte, als lichtete sich der Nebel. Claire wirkte zufrieden, und wir setzten unseren Weg fort.
    Die Eingangshalle des »Griffith Observatoriums« – so die Inschrift über den Toren – war nicht weniger beeindruckend als das Äußere. Es war eine Rotunde aus Stein und Marmor, über der sich eine Kuppel mit einem mythologischen Firmament spannte. Ich erkannte Atlas mit geschulterter Kugel, Widder, Stiere, Löwen und andere Tierkreiszeichen, Merkur den Götterboten mit geflügeltem Helm, Jupiter, doppelt abgebildet als Planet und als mit Blitzen bewehrter Göttervater, und einen Kometen mit wildem Feuerschweif.
    Eine Tafel an der Wand war dem Stifter des Gebäudes gewidmet. General Griffith. J. Griffith, entnahm ich der Tafel, hatte der Stadt Los Angeles nicht nur seinen eindrucksvollen Grundbesitz vermacht unter der Bedingung, dass er Parkland bleibe, sondern auch ein Observatorium, das der Öffentlichkeit als Sternwarte dienen sollte. Ich las die Worte, die der General angeblich geäußert hatte, als er zum ersten Mal durch ein großes Teleskop blickte: »Die Werteordnung der Menschen sollte revidiert werden. Wenn die ganze Menschheit

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