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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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E-Mail-Adresse.«
    »Von wem?«
    »Von dem Mädchen von gestern. Sie hat mir ihre Mailadresse gegeben.«
    »Welches Mädchen«, fragte ich und wachte aus dem TV-Dämmer auf.
    »Claire. Die mit dem Rennrad. Von dem Teleskoptreffen.«
    Das Fernsehbild kippte weg, als ich mich langsam zu ihm drehte. »Du hast ihre Mailadresse!«
    »Ja.« Tom hielt sie mir vor die Nase. »Sie stand die ganze Zeit bei Dobson rum. Wir sind ins Gespräch gekommen. Ihr hattet doch auch geredet, oder?«
    »Ich habe gar nicht gesehen, dass du mit ihr geredet hast. Und jetzt heißt sie Claire, und du hast ihre Mailadresse.«
    Er sah mich ohne einen Anflug von Schuldbewusstsein an. »Sie hat uns nur ihre Hilfe angeboten. Ihre Mutter arbeitet in einer Anwaltskanzlei. Sie sagt, dass man hier keine großen Geschäfte ohne einen amerikanischen Anwalt machen sollte.«
    Ich seufzte und legte meinen Kopf zurück auf das Kopfstück des Betts.
    »Alles halb so wild«, sagte Tom. »Es ist wahrscheinlich sowieso zu früh für einen Anwalt.«
    »Lass mich trotzdem mal sehen, ob das ein J ist«, sagte ich.
    Gegen zwei nahm Tom den Wagen, um zu seinem Mittagessen mit Koenig und Wink aufzubrechen. Er betonte so auffällig, dass es kein Geschäftsessen sei, dass ich schließlich verstand und nicht mitging. Die nächsten zweieinhalb Stunden verbrachte ich auf dem Bett liegend vor dem Fernseher. Amerikanisches Fernsehen war mir ein Rätsel. Daran, dass auf fast allen Kanälen nur Werbung lief, konnte man sich ja noch gewöhnen. Aber dass auf allen Kanälen nur Werbung für Fitnessgeräte und Schuldenberatungen lief, überforderte meinen müden Verstand. Und dann Tom! Er war nicht einmal stolz gewesen auf den Zettel in seiner Tasche. Das gab mir zu denken, aber es ärgerte mich auch. Hätte er seinen Triumph wenigstens ausgekostet, wäre es leichter gewesen, ihn zu hassen, aber auch ihn zu verstehen. Es schien, als könnten wir nie miteinander konkurrieren. Nicht am Teleskop, an dem er mir viel zu überlegen war, und nicht auf diesem neuen Gebiet, auf dem er sich weigerte mitzuspielen – und trotzdem gewann.
    Ich sah mit einem Auge dem Folterprogramm zu und verlor mich in Tagträumen, in denen ich eine E-Mail an Claire schrieb, die vor Witz sprühte. Nach einer Weile war meine Mail komplett ausformuliert. Ich brauchte sie nur noch zu tippen. Ihre Adresse lag in Reichweite auf Toms Nachtkästchen. Ich musste nur meine Hand ausstrecken und danach greifen …
    Der Computer für Gäste stand an einem kleinen Pult bei der Rezeption. Obwohl meine Mail schon vorformuliert war, begann ich mehrmals von vorne. »Vielen Dank für das Angebot, uns bei unseren Geschäften zu helfen«– ich wählte den sachlichsten Anfang. Dann erklärte ich, dass Tom und ich nur ein paar Tage in Los Angeles seien. Vielleicht gebe es ja etwas, das wir dringend unternehmen sollten. Und wenn sie uns dabei begleiten wolle, umso besser. Ich tippte meinem Namen und setzte hinzu: »Tom lässt dich grüßen.«
    Nachdem ich den Text noch viermal durchgelesen hatte, drückte ich auf »Senden«. Die Rezeptionistin beobachtete mich mit einer hochgezogenen Augenbraue.
    Claires Antwort lag eine halbe Stunde später in meinem Postfach:
    »Liebe Bordstein-Astronomen. Falls ihr heute Abend nichts vorhabt: Kommt um 19 Uhr zum Parkplatz des Los Angeles Zoo am Golden State Freeway. Am Ende des Western Heritage Way wartet ein Bus. Herzlich, Claire.«
    Durchs Fenster sah ich, wie Tom draußen das Auto abstellte und über den quadratischen Parkplatz schlenderte. Als ich wieder ins Zimmer kam, lag er auf dem Bett und trank eine Coke.
    »Sag mal, hast du schon Pläne für heute Abend?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte er.
    »Oh«, sagte ich überrascht.
    »John Dobson ist ja noch in der Stadt. Er hält heute Abend eine Vorlesung.«
    »Worüber denn?«
    »Kosmologie. Präplanetare Staubscheiben. Die Entstehung des Sonnensystems.«
    »Das klingt ja interessant.«
    »Ich gehe auf jeden Fall hin.«
    »Der Mann ist immerhin um die neunzig und noch fit. Das ist sicher eine große Gelegenheit.«
    Er sah mich verständnislos an: »Ja, natürlich.«
    Ich hatte schon die Türklinke in der Hand und war wieder auf dem Weg zur Rezeption.
    »Heute passt uns gut!«, tippte ich und drückte auf den Senden-Knopf.
    Den weiteren Nachmittag verbrachte ich in einer albern aufgedrehten Laune, die Tom, der mich so nicht kannte, für eine Folge des Jetlag halten musste. Ich hatte durchblicken lassen, dass ich für einen Vortrag nicht

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