Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
betont fröhlich. »Was machst du?«
»Wir sitzen hier bei mir rum, ein paar Freunde. Wir wollen später noch in Los Feliz ausgehen.«
»Oh«, sagte ich. Ihre gute Laune versetzte mir einen Stich. Es klang nicht, als ob Claire sich nach mir verzehrte. »Hast du versucht, mich zu erreichen?«
»Gerade eben … im Hotel.«
»Oh, dann haben wir uns verpasst. Weißt du, wir sind unterwegs. Auf Reisen sozusagen. Ich rufe von einem öffentlichen Telefon aus an.«
»Ich dachte, ihr bleibt noch ein paar Tage in L.A.«
»Das dachte ich auch. Nur hatte Tom dann andere Pläne.«
»Tom.«
»Ja, Tom.«
»Und wo seid ihr jetzt?«
»Auf dem Weg nach Flagstaff.« Nach einer Pause ergänzte ich: »Das ist in Arizona.«
»Ich weiß.«
»Tom hatte plötzlich die Idee, dass er den Käufer persönlich treffen will. Also nicht nur den Händler, sondern den Käufer dahinter. Wir wissen gar nicht so genau, wo er wohnt. Aber es heißt, er hat ein Observatorium in der Nähe von Flagstaff.«
Die Pause in der Leitung war jetzt so lang, dass ich mich fragte, ob das Telefonat unterbrochen worden sei.
»Ach so «, sagte sie. »Ihr müsst irgendjemand irgendwo treffen – in Arizona.«
»Er heißt Whistler. So ein reicher Typ, der auf seinen Millionen sitzt und ins Weltall schaut.«
»Du bist ganz schön schnell.«
»Was meinst du?«
»Du fickst die Braut. Und dann bist du weg.«
»Moment. Du hast doch gesagt, dass du selbst gerade …« Ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte.
»Dass ich selbst gerade rumvögele?«, sagte Claire.
»Nein, das wollte ich nicht sagen. Also, wir wären doch sowieso nicht lange in der Stadt gewesen. Das wusstest du.«
Im Hintergrund, über einem Klangteppich von Musik und Stimmen, hörte ich jemand Claires Namen rufen.
»Hör mal«, sagte sie. »Ich muss gehen. Wann seid ihr wieder da?«
»Tja, das weiß ich noch gar nicht.«
Sie lachte. »Du bist schlimmer als ich.«
»Es ist wirklich wegen Tom.«
»Grüß Tom, okay?«
»Mach ich. Ich grüß ihn.«
Es klickte in der Leitung.
»Willst du abbeißen?« Tom saß kauend am Steuer und streckte den Rest des Riesensandwichs in meine Richtung.
»Nein danke, Tom.«
»Mit wem hast du telefoniert?«
»Mit meiner Mutter.«
»Und was redest du so mit ihr?«
»Ich weiß es nicht. Sie macht sich Sorgen. Sie stellt komische Fragen. Wir reden nie was Richtiges.«
»Aber ihr redet.«
»Meistens.«
Wir fuhren talwärts, zwischen rundlichen Granitfelsen hindurch. Die großen Brocken lagen wie Kiesel in der Landschaft, zu Türmen und abstrakten Skulpturen aufgehäuft.
Schnell ließen wir die Berge hinter uns, und die Straße führte hinaus in eine flache Prärie aus weißlich gelbem Gras. Eine lange Kette von Telegrafenmasten reichte bis zur nächsten Gebirgskette, die dunkelgrau in der Ferne stand wie ein einziger gemauerter Wall. Das Monumentale der Landschaft war jetzt wieder so überwältigend, dass ich in einen schizophrenen Zustand geriet – mein Kopf schaltete andauernd hin und her zwischen pflichtbewusster Bewunderung des Schauspiels draußen und ebenso versessener Aufarbeitung meiner persönlichen Sorgen. Ich dachte nicht nur an Claire und unser Telefonat. Auch Tom und sein kleines Vergnügen mit Constanze begann mich zu beschäftigen. Tags zuvor war mir die Neuigkeit noch vorgekommen wie ein absurder Witz. Aber jetzt, während unser Wagen einsam durch die Ebene strich und ich genügend Zeit hatte, alles in Ruhe abzuwägen, konnte ich nicht anders, als die tiefere Bedeutung darin zu erkennen. Tom hatte sich mit der Frau eingelassen, die der Keil zwischen mir und Vera war. Die Ironie lag darin, dass ich nichts davon gewusst hatte – und indem ich Tom weiter nachgelaufen war, hatte ich den Bruch mit Vera natürlich noch beschleunigt. Die Steigerung der Ironie lag darin, dass ich gerade dabei war, den Fehler zu wiederholen. Ich folgte Tom. Und entfernte mich von Claire.
Bei Sonnenuntergang erreichten wir Sedona, eine seltsam gewöhnliche Neubausiedlung aus flachen roten Bungalows, Einkaufszentren und New-Age-Esoterikshops, die inmitten der gewaltigsten Landschaft lag, die ich je gesehen hatte. Red Rock Country. Ein Felsengarten in Rot – mit Türmen, Zin nen und Mauern, in deren freigelegten Sedimentschich ten alle Farbtöne zwischen dunklem Karmesin und einem blassen Aprikosenrosa vorkamen. Die Stadt lag bereits im Schatten, aber es waren noch viele Menschen unterwegs, und als wir auf einem Parkplatz hielten, hörten wir Musik. Sie
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