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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Shotgun-Shacks, deren Briefkästen am Straßenrand postiert waren. Und immer wieder kleine Schreine oder Altäre aus aufgehäuften Blumen am Straßenrand. Bei der dritten oder vierten dieser Gedenkstätten hielten wir an, um zu sehen, wem oder was sie galt, aber wir fanden nur Plastikblumen und Kerzen in Gläsern, auf denen Etiketten mit Jesusbildchen klebten. Entlang der Straße hörten wir das leise Knattern der Telefonmasten, sie schnarrten vor sich hin wie müde alte Vögel.
    Ich hatte Tom selten so gesehen, zurückgelehnt aus dem Fenster schauend, während ich Auto fuhr, müde und für seine Verhältnisse eigenartig zufrieden. Schon seit wir in der Wüste waren, hatten sich seine Gesichtsmuskeln gelockert. Wahrscheinlich war dies endlich ein Land, das groß genug für ihn war. Ich betrachtete müde sein Profil von der Seite: sein noch nicht ganz fertiges und doch schon klar konturiertes Bauerngesicht, mit den geschnitzten Wangen, den dunklen Brauen und dem großen traurigen Mund. Er hätte als Amerikaner durchgehen können, auf jeden Fall als oberbayrischer Navajo.
    »Was wirst du machen, wenn du das Clark verkauft hast?«, fragte ich ihn.
    »Nichts Besonderes. Ich werd die Rechnungen von meinem Vater bezahlen. Vielleicht hab ich Anspruch auf einen kleinen Teil des Geldes.«
    »Und was willst du damit anfangen?«
    »Ich könnte ja wieder ein Teleskop kaufen. Ein neues.«
    »Ach so …«
    »Ich könnte in die Anden fahren oder nach Namibia. Den Himmel dort kennenlernen. Kannst du dir vorstellen, dass ich noch nie die Magellan’schen Wolken gesehen hab?«
    »Ich hab gedacht, du könntest vielleicht mal eine Pause machen mit der Astronomie.«
    Er sah mich an, als ob ich Erdnussbutter am Kinn hätte. »Wie kommst du darauf?«
    »Dass du auf was Neues kommst. Das Programm mal unterbrichst. Auch dafür sind solche Reisen gut.«
    »Ich verstehe dich wirklich nicht.«
    »Na gut, ich verstehe dich auch nicht.«
    »Was verstehst du nicht?«
    Ich atmete müde aus. »Was machen wir hier? Du hast gesagt, du willst dein Teleskop verkaufen. Das hättest du längst machen können.«
    »Und was denkst du?«
    »Ich denke, wir fahren hier rum, weil es dir gefällt. Wir spielen ein bisschen Entdecker. Im amerikanischen Westen, so wie dein Großvater. War dein Großvater nicht hier?«
    »Ja.«
    »Du machst alles wie dein Großvater, nicht?«
    »Komm hör auf. Es wird dämlich.«
    Die Landstraße Nummer 71 war schmaler als die 60. Auf unserer Karte hatte sie ausgesehen wie die direkteste Route nach Prescott und Flagstaff, aber nachdem wir eine Weile unterwegs waren, wurde uns klar, dass wir wohl doch Zeit verloren. Die Straße führte in vielen Windungen einen Berg hinauf. Wir erreichten Prescott erst am Nachmittag. Die Stadt lag eingebettet zwischen hellbraunen Berghängen, über die lose Tupfen von Nadelgehölz verstreut waren, eine hübsche Kleinstadt mit einer Peripherie aus Ranchen und ein paar offiziellen alten Steinhäusern im Zentrum. Als wir langsam die Hauptstraße hinunterfuhren, leuchtete der Himmel in einem alpinen Stahlblau. Männer in gefütterten Jacken und Stetsons gingen ihren Samstagnachmittagsgeschäften nach.
    An einer Kreuzung auf der Hauptstraße entdeckte ich ein Münztelefon an einer Mauer.
    »Ich telefoniere nur mal eben«, sagte ich zu Tom.
    »Wen rufst du an?«
    »Eine Frau.«
    Meine Mutter klang am Telefon besorgter als sonst. In Deutschland musste es gegen zehn Uhr am Abend sein. Sie wollte wissen, von wo aus ich anrief.
    »Ich bin immer noch in Amerika, das weißt du doch. Zuerst waren wir in Los Angeles, und jetzt sind wir in Arizona.«
    »Arizona?«
    »Ja. Immer noch geschäftlich. Tom, also dieser Freund von mir … nein, den kennst du nicht. Nein, nicht der Thomas aus meinem Jahrgang, das habe ich dir doch gesagt, du kennst ihn nicht …«
    Eigentlich hatte ich nur ihre Stimme hören wollen. Und dass es ihr und meinem Vater gut ging. Aber natürlich begann sie mich auszufragen. Was? Wo? Warum? Sie fragte so lange, bis ich ihr erklärte, dass wir einen Waffenhändler treffen würden, der sich irgendwo in Arizona versteckt halte. Danach brauchte ich einige Minuten, um sie wieder zu beruhigen. Als ich auflegte, waren noch drei Dollar auf meiner Telefonkarte. Das Geld würde für einen weiteren Anruf reichen, schätzte ich. Ich nestelte in der Hosentasche meiner Jeans und zog den Zettel mit Claires Nummer hervor. Es klingelte lange, ehe ich Claires Stimme hörte.
    »Hallo.«
    »Hallo«, sagte ich

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