Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
Vom Netzwerk:
Karte zur »Painted Desert« gehörte. Dort ging der Blick in eine unbestimmte Ferne, zu einem dunkelrot in der Abendsonne glühenden Streifen aus Tafelbergen, die einen schnurgeraden Horizont bildeten. Irgendwo in dieser Richtung musste der Little Colorado liegen. Was wir suchten, war aber ganz in der Nähe. Von den wenigen Vulkanen, die noch übrig blieben, gab es nur einen, der in Frage kam. Er thronte isoliert in der Landschaft, mehrere Kilometer abseits der Straße in nordwestlicher Richtung – ein Berg von eigenartiger Symmetrie, mit erhabenen schwarzen Hängen und einem flächigen Plateau, der unter der tiefstehenden Sonne lag wie ein Opferaltar.
    »Das war ja einfach«, sagte ich.
    »Man muss nur die richtigen Leute fragen.« Tom, der wieder am Steuer saß, verlangsamte das Tempo, als wir an einem dunklen Sandweg vorbeikamen, der in die Richtung des Vulkans führte. Einen Moment zögerte Tom, dann bog er mit Schwung auf den Weg ab, direkt vorbei an einem »No Trespassing«-Schild.
    »Was machst du?«, fragte ich.
    »Wir sehen uns mal um.«
    »Das sollten wir lieber lassen. Die Frau hat doch gesagt, dass Mr. Whistler das nicht mag.«
    »Gegen uns hat er nichts. Wir sind ja keine Naturschützer.«
    »Findest du das gut? Dass wir unsere Geschäftsbeziehung mit Landfriedensbruch beginnen?«
    »Komm schon! Wie willst du hier den Frieden brechen?«
    Wir kamen an einem zweiten Schild vorbei. Es wies auf querende Tiere hin und war an seinem Fuß mit dem Totenschädel eines Rinds dekoriert.
    »Was, wenn wir noch jemanden auf der Baustelle treffen?«, fragte ich.
    »Dann spielen wir dumme Touristen«, schlug Tom vor.
    Der Weg bestand aus schwarzem Sand, der eben und gut befahrbar war. Er war breit genug für größere Lastwagen, was darauf schließen ließ, dass wir tatsächlich am richtigen Ort waren. Nirgendwo sahen wir Schranken oder Ähnliches. Nicht einmal einen Zaun oder ein Wärterhäuschen, aber das minderte meine Sorgen nicht. Wir hatten das gesicherte Gebiet der Geschäftsreise endgültig verlassen und uns auf gefährliches Terrain begeben. Immerhin einen Trumpf hatten wir, dachte ich. Falls uns doch noch jemand anhielt, würde es uns nicht sehr schwerfallen, dumme Touristen zu spielen. Der Berg lag jetzt als schwarzer Koloss vor uns, die Hänge verschattet vor dem gelbroten Gegenlicht. Am Fuße des Vulkans gabelte sich der Weg. Wir fuhren in einer Kurve zur Sonnenseite, und als wir direkt in das Licht sahen, hielten wir an und stiegen aus. Die Luft war trocken und kalt wie im Gebirge. Ich befühlte meine aufgesprungenen Lippen mit der Zunge. Der Krater mochte sich zweihundert oder dreihundert Meter über uns befinden. Die Farbe des Vulkans war nun ein kräftiges Braunrot, eine tiefe, gesättigte Farbe wie ein inneres Glühen.
    »Da ist nichts«, sagte ich und blinzelte an dem Berg hinauf.
    »Sieh mal, da«, sagte Tom und zeigte mit dem Finger nach oben. Etwa fünfzig Meter unterhalb des Kraterrands befand sich eine plane Fläche, auf der sich ein einsames Windrad drehte. Außerdem parkte dort ein Lieferwagen.
    »Ach nee«, sagte ich.
    »Wahrscheinlich führt der Weg bis dahin«, sagte Tom.
    »Ja, sieht so aus.«
    »Wir können ja nachsehen.«
    »Da mach ich nicht mit«, sagte ich.
    »Warum nicht?« Er wirkte allen Ernstes erstaunt.
    »Weil ich es auch nicht mögen würde, wenn jemand mit dem Auto auf meinem Vulkan herumfährt.«
    »Dann gehen wir zu Fuß.«
    »Es wird ja schon dunkel.«
    »Du kannst dich auch nicht entscheiden.«
    »Nein, ich hab mich entschieden«, rief ich. »Wir kehren um.«
    Die Straße den Vulkan hinauf war steiler, als sie ausgesehen hatte, und für geländegängige Autos konzipiert, so dass Tom immer wieder in den ersten Gang runterschalten musste. Der Motor begann schon nach einem Drittel der Strecke laut zu brüllen. Sein Einspruch blieb genauso wirkungslos wie meiner.
    Es war nun schon beinahe zur Gewohnheit geworden, dass ich Tom vergeblich widersprach. Ich sah in die violette Weite hinaus, betrachtete widerwillig die Schönheit um uns. Ich musste zugeben, dass ich dem Vulkan selbst kaum widerstehen konnte. Es kam mir vor, als ob Tom und ich unerlaubt einen heiligen Ort beträten. Je höher wir uns hinaufschraubten, desto unwirklicher wurde die Szenerie; die elementarste Landschaft, die ich je gesehen hatte, und der Reiz des Verbotenen schärfte noch die Sinne für das Wunder. Vor uns, im Süden, das Land der Vulkane, in dem all die Wutausbrüche einer älteren Erde in

Weitere Kostenlose Bücher