Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
Vom Netzwerk:
Das Herz Amerikas. Ich zückte meine kleine silberne Kamera aus der Innentasche der Jacke, drehte mich ein bisschen im Kreis, bis mir der Bildausschnitt gefiel, und drückte ab. Tom beobachtete mich nur ratlos: »Was fotografierst du da?«
    »Nichts«, sagte ich und nahm die Kamera wieder herunter. In diesem Moment bemerkte ich, dass sich in einem der Hausfenster ein Vorhang bewegte. Erst recht erschrak ich, als sich die Haustür öffnete und eine Frau herauskam. Sie war noch weit genug entfernt, aber sie beäugte uns von ihrer Veranda aus und rief: »Warum fotografiert ihr mein Haus?« Hinter ihr lief ein Hund, ein muskulöses, schwarzes Vieh mit breitem Nacken und Bulldoggenschnauze, das nervös um seine Besitzerin streifte, ohne uns aus den Augen zu lassen.
    »Entschuldigung«, rief ich, machte sofort kehrt und ging den Weg zurück in Richtung unseres Wagens.
    »Wir könnten sie trotzdem nach dem Weg fragen«, rief Tom mir nach.
    »Lieber nicht!« Ich beschleunigte meinen Schritt, so dass Tom mir notgedrungen nachjoggte.
    »Was ist?«, fragte er, als er mich eingeholt hatte.
    »Ich habe Angst vor Hunden.«
    »Im Ernst?« Er versuchte netterweise, nicht zu lächeln.
    »Ich bin als Kind gebissen worden, ich kann da nichts machen.«
    Die Frau rief noch einmal: »Warum fotografiert ihr mein Haus?«
    Die Frage war berechtigt, fand ich, aber die Antwort zu kompliziert. Wir konnten genauso gut das Weite suchen.
    Beim Auto angelangt setzte ich mich hinter das Lenkrad. Sobald Tom neben mir saß, drehte ich den Zündschlüssel und drückte aufs Gas. Der Wagen machte überraschend einen Satz rückwärts. Aber das war nicht das einzig Überraschende. Von hinten hörte ich ein Knirschen und fühlte einen Aufprall. Tom und ich tauschten einen Blick und stiegen gleichzeitig aus, um nachzusehen.
    »Scheiße«, sagte ich. »So eine Scheiße.«
    Durch die hintere Plastikstoßstange des Wagens zog sich ein Riss. Er stammte von der rostigen Eisenstange, die sinnlos aus dem Boden ragte und früher vielleicht ein Ortsschild getragen hatte. Jetzt war sie nach hinten umgebogen.
    »Verdammt«, sagte jetzt auch Tom. »Das sieht blöd aus.«
    »Das ist ein Versicherungsfall«, sagte ich.
    »Und sind wir versichert?«
    »Keine Ahnung.«
    Ich besah mir die Stoßstange noch einmal. Der Riss war zu deutlich, man musste sie auf jeden Fall austauschen.
    »Kann ja nicht viel kosten bei dem Auto«, sagte Tom.
    »Die Vermieter machen immer Geld mit so was. Die werden uns einfach eine neue Stoßstange in Rechnung stellen.«
    »Tja«, sagte Tom.
    »Scheiße«, rief ich noch mal.
    »Warum bist du überhaupt so schnell gestartet?«
    »Ich hab dir gesagt, ich kann nichts dafür. Ich wurde als Kind gebissen.«
    »Sprechen Sie Englisch?«
    Wir drehten uns beide um. Die Frau, die aus dem Haus gekommen war, stand jetzt direkt vor uns.
    »Was machen Sie da?«, wollte sie wissen.
    »Wir hatten einen kleinen Unfall«, sagte Tom, während ich mich nervös nach dem schwarzen Hund umsah.
    »Gerade eben?«
    Sie ging jetzt auch um das Auto herum und besah sich unsere Stoßstange. Eine blassblonde Frau mit einem schmalen, harten Körper, der in Jeans und einem weißen T-Shirt steckte, der amerikanischen Arbeitsuniform. Die kurze Jeans ließ am Fußknöchel ein Tattoo erkennen. Ich denke, sie suchte nach einem vernünftigen Grund, gegen den Pfosten zu fahren. Ich konnte ihr ja nicht sagen, dass wir vor ihr weggelaufen waren, auch wenn es die Wahrheit war.
    »Aber was machen Sie überhaupt hier?«, fragte sie.
    Tom räusperte sich und versuchte, ihr unsere Geschichte zu erklären. Dabei fiel mir auf, wie unglaubwürdig sie klang. Je mehr Details er erzählte, desto größer wurde das Fragezeichen im Gesicht der Frau. Ich glaube, sie hielt uns entweder für skurrile Exemplare der Gattung »verirrter europäischer Tourist« oder für fahrende Taugenichtse, die sich eine Legende zusammenstrickten. Beides war nicht weit entfernt von der Wahrheit.
    »Also seid ihr so was wie Astronomen?«
    »Nein«, sagte Tom. »Wir sind Beobachter. Observers!«
    Das alles brachte sie nun doch zum Lächeln, was sie urplötzlich attraktiv wirken ließ. Sie sagte, sie sei Krankenschwester und wohne erst seit wenigen Jahren hier. Ihr Mann arbeite als Koch in der Stadt. Man komme über die Runden. »Aber als ich Ihre Kamera gesehen hab, dachte ich sofort an einen von der Bank.« Sie war eine angenehme Frau mit zivilisierten Umgangsformen. Weder eine Alkoholikerin noch eine typische

Weitere Kostenlose Bücher