Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
Kampfhundhalterin. Ich schämte mich immer mehr. Diese ganze Siedlung gehörte wohl zu jenem Komplex, den die Wohlhabenden und Gebildeten ohne zu zögern als »weiße Unterschicht« abtaten. Die Bürde dieses Klischees war sicher schwer genug – auch ohne Touristen, die glaubten, hier das »wahre Amerika« entdecken zu müssen.
»Wissen Sie denn, wo sie jetzt hinmüssen?«, fragte die Frau.
»Ach ja«, sagte Tom zerstreut: »Gibt es hier einen Vulkan in der Nähe?«
»Einen?« Sie lächelte wieder. »Fahren Sie ein paar Meilen die Straße runter und dann bei der ersten Kreuzung links. Da können Sie sich einen Vulkan aussuchen.«
»Wir wissen noch nicht genau, zu welchem wir müssen«, sagte Tom.
»Wissen Sie denn, wie er aussieht?«
»Nein. Ist das ein Problem?«
»Nicht, wenn Sie Zeit haben. Es gibt ungefähr vierhundert Vulkane hier.«
Wir fuhren immer noch auf der Straße in Richtung Winona, und Tom, der sich wohl damit abgefunden hatte, dass sich sein Plan langsam in Fetzen auflöste, schwieg beharrlich.
»Die können verlangen, was sie wollen«, murmelte ich.
»Was?«
»Für die Stoßstange. Die nennen einfach irgendeinen Fantasiebetrag.«
»Sid Koenig bezahlt ja den Wagen.«
»Er reißt uns den Kopf ab.«
Kurz vor Winona fanden wir die Abzweigung in Richtung des Sunset Crater National Monuments. Die Straße führte schnurgerade durch unbesiedeltes Land. Am Rande der großen Leere vor dem Panorama der schneebedeckten San Francisco Mountains standen einsame Schuppen und abgestellte Tankwagen in scheinbar sinnloser Anordnung. Und eine Armada von gelben Schulbussen hinter Zäunen im struppigen Gras, die Reifen platt, die Scheinwerfer eingeschlagen oder heraushängend.
Das erste bewohnte Haus, das wir am Straßenrand vorfanden, war eine längliche Blockhütte, auf einem gemalten Schild über dem Eingang stand: »2 Bar 4«.
»Vielleicht wissen die was«, schlug Tom vor und scherte auf den Parkplatz aus. Die Bar war geöffnet, aber noch leer. Samtweicher Melody-Rock erfüllte den Raum. Der Barmann war zu unserer Überraschung kein verwitterter alter Cowboy, sondern ein etwa zwanzigjähriger glattrasierter Kerl mit kräftigen Oberarmen, der uns wie beste Freunde begrüßte. Er hatte noch nie von Whistler gehört. Er war nur zum Gleitschirmfliegen hier in der Gegend. »Wenn ihr diesen Whistler finden wollt, solltet ihr John fragen. Er wohnt nicht weit von hier. Er ist Büchsenschmied. Ein netter Kerl. Er war eine Weile nicht hier. Ich habe gehört, er hat einen Schlaganfall gehabt. Schlimm. Aber er kennt hier jeden.« Johns genaue Adresse wusste er nicht. Er wohne ein paar Meilen von hier, in einem alleinstehenden Haus.
Runde Wacholderbäume überzogen das gelbliche Grasland, das sich in Wellen vor uns ausbreitete. Wir waren jetzt in einer Heidelandschaft, die Straße führte direkt auf den größten Hügel zu, umrundete ihn, und auf der anderen Seite fanden wir noch mehr Hügel. Anfangs viele kleinere mit Büschen bestandene Kuppeln, die der Landschaft etwas Heiteres verliehen, dann flächige Berge, schwarzbraune, schorfige Erhebungen, die monolithisch im Sonnenlicht lagen, scharf konturiert vor dem tiefblauen Himmel. Auf manchen von ihnen war Tagebau betrieben worden. Wir sahen Förderbänder und planierte Flächen, wo Bagger Erde abgetragen hatten. Die Vulkane tauchten jetzt in den unterschiedlichsten Formen auf. Berge mit flachen Plateaus und perfekt gerundete Kuppeln, Berge mit langen Schildkrötenrücken und klassische Vulkane, deren Hänge steiler werdende Kurven beschrieben; alle paar Meilen ein neuer Hügel, den der Boden ausgeworfen hatte.
Ein Observatorium sahen wir nicht, geschweige denn andere Häuser. Nur vereinzelte Hinweise darauf, dass das Land bewohnt war, manchmal Briefkästen, manchmal Schilder am Straßenrand, auf denen »private ground« stand und hinter denen Wege und Trampelpfade in die Wildnis führten. Zäune gab es keine.
»Wie lange sind wir schon unterwegs seit der Bar?«, fragte ich.
»Zwanzig Minuten vielleicht?«
Seltsam, dachte ich, ich hätte die Zeitspanne nicht schätzen können. Ebenso wie mein Gefühl für den Raum schien sich auch mein Zeitgefühl irgendwo zwischen den Bergen zu verlieren. Ein Land ohne Autos, Häuser, Menschen und ohne menschliche Maßstäbe. Berge erhoben sich aus den Weiten in den nackten Steppenhimmel – fünf, zehn oder fünfzehn Kilometer entfernt, ich hätte es nicht sagen können. Um ihre Kraterränder zogen sich sichelförmige
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