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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Noch während mir dieser Gedanke durch den Kopf ging, hörte ich ein Stockwerk höher Schritte, und dann fiel mein Blick auf den
rot blinkenden Anrufbeantworter. Welche Nachrichten waren darauf gespeichert? Womöglich auch meine eigene Stimme? Ich konnte im Moment nicht klar denken  – und auch nicht beurteilen, ob diese Fragen überhaupt eine Rolle spielten oder nicht. Langsam wie eine alte Frau stand ich auf und schlurfte zur Tür, blieb jedoch auf halbem Weg stehen. Ich hatte tatsächlich etwas vergessen.
    Nach einem kurzen Abstecher in die Küche, wo ich die winzige Gießkanne mit Wasser füllte, wanderte ich von Pflanze zu Pflanze und ließ bei jeder ein paar kleine Rinnsale in die bereits etwas ausgetrocknete Erde sickern, bis diese wieder feucht war. Schlagartig musste ich an Hayden denken. Die Erinnerung überfiel mich so heftig, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste mich nur schnell genug umdrehen, und er wäre wieder da. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn nach der Gießkanne greifen, die ich in der Hand hielt, und sie auf der Küchentheke abstellen, ehe er mich an meinem Gürtel zu sich heranzog. Dabei lächelte er nicht, sondern sah mich einfach nur an, als wollte er irgendetwas Wichtiges sagen  – was er jedoch nicht tat. Letztendlich hielt er nicht viel von schönen Worten, in dieser Hinsicht waren wir uns sehr ähnlich. Einmal versprach er mir zwar, einen Song für mich zu schreiben, setzte dieses Vorhaben aber nie in die Tat um.
    Ich goss den letzten Rest Wasser aus der Kanne und stellte sie dann vorsichtig zurück an ihren Platz, so dass nur ein ganz leises Klicken zu hören war. Nach einer letzten Runde durch die Wohnung  – einem letzten Blick auf das Bett, das ich mit ihm geteilt hatte, das Sofa, auf dem ich ihn so gerne mit Schwung nach hinten geschubst hatte, um ihn anschließend hart auf seinen schönen Mund zu küssen, und die Stelle auf dem Boden, wo am Ende seine Leiche gelegen hatte  – ging ich genauso leise, wie ich gekommen war.

Davor
    Hayden rief mich nicht an, und ich ihn auch nicht. Neal dagegen meldete sich mehrfach, doch ich ließ mir immer neue Ausreden einfallen. Mit einem unguten Gefühl im Magen wartete ich, während ich mich gleichzeitig selbst dafür verabscheute, dass ich wartete. Währenddessen unternahm ich einen halbherzigen Versuch, mit der Renovierung meiner Wohnung zu beginnen  – beschränkte mich dabei aber hauptsächlich darauf, Sachen aus Schubladen und Regalfächern zu reißen und dann nicht weiter zu sortieren. Als eine Gruppe von Freunden mich einlud, sie zu einem neuen, dreitägigen Musikfestival in den Dales zu begleiten, ließ ich den Blick über die Tapetenfetzen an den Wänden und die Kisten voller angeschlagener Teller, bunt gemischter Gläser und unerwünschter Gerätschaften aller Art schweifen und zögerte nicht lange. Allen Mitgliedern der Band schickte ich eine Mail, dass unser nächstes Treffen ausfalle und ich mich wegen eines neuen Termins bei ihnen melden werde. Einzig und allein Sally schien zu bedauern, dass die Probe abgesagt war. Offenbar genoss sie es wirklich sehr, wenn wir bei ihr spielten. Es versetzte mir einen Stich ins Herz, als ich begriff, wie einsam und Lola-fixiert ihr Leben geworden war.
    Nachdem ich Stiefel, Shorts, einen Schlafsack und ein vergammeltes, nicht mehr ganz wasserdichtes Zweimannzelt zusammengepackt hatte, traf ich mich mit den anderen am Bahnhof. Meine Stimmung besserte sich schlagartig, ich konnte richtig spüren, wie die Niedergeschlagenheit von mir abfiel. Drei heiße Sommertage lang bekam ich kaum Gelegenheit, mich zu waschen, und nur sehr wenig Schlaf, dafür aber jede Menge Musik. Während der ganzen Zeit dachte ich weder an Neal noch an Hayden und ebenso wenig an Wandfarben oder bevorstehende Hochzeiten. Ich aß Nudeln, Tofuburger und
Käsecracker und trank dazu warmes Bier oder schlechten Kaffee. Ansonsten tanzte ich oder lag faul in der Sonne, wobei ich mir Schultern und Nasenspitze verbrannte. Es war Sommer, und ich hatte Ferien. Ich wollte einfach nur Spaß haben.
    Als ich wieder nach Hause kam, war mir, als würde ich vor Energie fast platzen. Ich warf fast meine ganzen alten Klamotten weg und strich den Holzboden in meinem Schlafzimmer weiß, auch wenn immer wieder Streifen der alten Holzfarbe durchschimmerten und die Wirkung überhaupt nicht so war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich entsorgte, was mir in die Finger kam: alte Zeitschriften, ungeliebte Taschen und Schuhe,

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