Die Komplizin - Roman
aufstehen und gehen solle. Vielleicht konnte ich mich hinausschleichen, wenn Hayden gerade in eine andere Richtung schaute. Er hatte mich erst vor knapp einer Stunde angerufen und gefragt, ob ich kommen wolle. Ich hatte spontan Nein gesagt.
»Egal«, hatte er geantwortet und dabei geklungen wie einer von den Teenagern aus meinen Klassen. »Ich dachte bloß, du möchtest vielleicht hören, welche Art von Musik ich spiele.«
Womit er durchaus recht hatte. Ich wollte ihn tatsächlich hören. Deswegen war ich nun hier, auch wenn mein Instinkt mir mit aller Macht davon abgeraten hatte. Während ich beobachtete, wie Hayden sich in der Welt verhielt, in der er zu Hause war, redete ich mir ein, dass ich nur ein paar Songs lang bleiben und dann wieder verschwinden würde.
Schließlich nahm der Wildledermann auf seinem Handy einen Anruf entgegen, und Hayden und der Ziegenbartmann gesellten sich zu mir an den Tisch. Hayden stellte mir seinen Begleiter als Nat, den Bassisten, vor. Nat nahm meine Gegenwart
kaum zur Kenntnis, sondern wandte sich stattdessen an Hayden.
»Du hättest ruhig ein bisschen freundlicher sein können.«
»Tut mir leid«, gab Hayden zurück. »Bin ich jetzt schuld, wenn es mit unserer Karriere bergab geht? Habe ich Colonel Tom Parker beleidigt? Hat er womöglich sein Scheckheft weggesteckt?«
Ich warf einen Blick zum Wildledermann hinüber, der immer noch telefonierte.
»Ich weiß nicht, ob es eine Rolle spielt«, warf ich ein, »aber er kann wahrscheinlich hören, was ihr sagt.«
Hayden zuckte nur mit den Schultern.
»Der Typ ist hergekommen, um uns spielen zu sehen«, fuhr Nat fort. »Es ist die Rede von einem Plattenvertrag.«
»Jetzt hör aber auf!«, widersprach Hayden. »Er ist doch bloß der Assistent des Assistenten des Assistenten.«
»Er ist hier. Das ist das Einzige, was zählt.«
»Die verarschen uns nur.«
Nat sah erst mich an und dann Hayden.
»Es ist die Rede von einer Platte«, wiederholte er mit Nachdruck. »Du weißt genau, dass uns ein Vorschuss sehr gelegen käme. Vor allem dir.«
Hayden nahm einen großen Schluck von seinem Bier.
»Keine Sorge, ihr bekommt euer Geld.«
»Wollt ihr, dass ich euch alleine lasse?«, unterbrach ich ihr Gespräch.
»Weißt du, wie es ist, wenn eine Band sich auflöst?«, fragte Hayden an mich gewandt. »Da reden dann alle von künstlerischen Gegensätzen, aber in Wirklichkeit geht es immer nur um irgendwelche Streitigkeiten wegen des Geldes.«
»Mit Streitigkeiten«, erklärte Nat, »meint Hayden, dass einer das Geld nimmt, das eigentlich der ganzen Gruppe zusteht, und es für sich allein ausgibt.«
»Wenn Paare sich trennen, streiten sie um das Sorgerecht
für die Kinder«, erwiderte Hayden. »Bands streiten eben um das Sorgerecht für das Geld.«
Ich musste an Amos denken. »Auch Paare streiten manchmal um das Sorgerecht für das Geld.«
»Bei uns liegt der Fall aber anders«, meinte Nat.
Hayden lachte. »Stimmt, denn besonders viel Geld war bei uns sowieso nie da.«
»Eigentlich wollte ich euch Jungs spielen hören«, bemerkte ich.
»Wir wärmen uns bloß ein bisschen auf«, antwortete Hayden, »damit wir richtig in Stimmung kommen.«
Nachdem erst ich und dann Nat eine Runde ausgegeben hatten, begann sich der Raum allmählich zu füllen. Wobei wohl nicht die Gefahr bestand, dass er allzu voll werden würde. Der dritte Musiker, Ralph, traf mit seiner Gitarre ein. Er trug ein kariertes Hemd, eine Canvashose und Turnschuhe ohne Schnürsenkel.
»Ist er da?«, fragte er, während er sich mit einem Krug Bier am Tisch niederließ.
Nat nickte in Richtung Wildledermann, der mittlerweile dazu übergegangen war, irgendetwas in sein Blackberry zu tippen.
»Er wirkte ziemlich interessiert«, berichtete Nat. »Zumindest, bis Hayden ihn in die Mangel genommen hat.«
Ralph machte keinen allzu überraschten Eindruck. Schicksalsergeben nahm er einen großen Schluck von seinem Bier.
»Sind wir so weit?«
Sie standen auf und schoben sich zwischen den Tischen hindurch. Das Publikum schien größtenteils aus Bekannten von ihnen zu bestehen. Ein paar Männer erhoben sich zur Begrüßung. Eine Frau stieß einen Freudenschrei aus und eilte quer durch die Bar, um Hayden in die Arme zu schließen. Ihr Verhalten versetzte mir einen Stich, der sich fast nach Eifersucht anfühlte, aber das war natürlich lächerlich. Wieso sollte ich eifersüchtig
sein? Statt sie ebenfalls in den Arm zu nehmen, legte er bloß eine Hand an ihren Rücken, als wollte er
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