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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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zusammen. Ich aber erhebe das Kreuz.
    Bevor wir beginnen, die heiligen Texte zu sprechen, streife ich mir das weiße Gewand über, das Magdalena getragen, als sie verbrannt wurde, und das durch ein Wunder nur am Saume versengt worden war.
    Um das Sprechen der heiligen Texte zu eröffnen, singe ich vor: »Dies geloben wir dir, unserem Gott …«
    Alle, außer mir, singen dann: »Dies geloben wir dir, unserem Gotte …«
    Ich richte meinen Blick auf ihr Grab. Alle senken ihre Fackeln. Ich aber senke das Kreuz und spreche: »Keiner Autorität beugen wir uns, ohne ihre Meinung vorher mit der Vernunft zu überprüfen.«
    Ich richte meinen Blick zum Himmel und alle erheben die Fackeln zum Himmel. Ich aber erhebe das Kreuz zum Himmel. Gemeinsam sprechen wir: »Keiner Autorität beugen wir uns, ohne ihre Meinung vorher mit der Vernunft zu überprüfen.«
    Dann bilden alle einen Kreis und schauen sich gegenseitig an. Ich aber stehe im Kreis und schaue Magdalenas Grab an und singe: »Dies aber ist die Lehre von der Heilung, die von dir durch die Gnade des Höchsten auf uns gekommen ist.«
    Paulina tritt hervor, hebt die Fackel und spricht die Worte, die Magdalenas Worte waren: »Schwestern und Brüder, nicht ich bin es, die heilt, sondern der Herr durch mich. Bittet nicht mich um Heilung, sondern den Herrn.« Paulina tritt zurück in den Kreis und senkt die Fackel.
    Alle sprechen: »Gepriesen sei der Herr und gepriesen seine treue Magd Magdalena, gestorben ihrer Barmherzigkeit wegen.«
    Ich singe die Worte, die Magdalenas Worte waren: »So bedenket immerdar, dass bei Gott nicht das Ende das Ziel ist, sondern der Anfang.«
    Ich sage: »Lasst uns das Hauptgebet sprechen.«
    Wir sprechen gemeinsam: »Für all jenes, was ich unterließ zu denken, gleichwohl ich es hätte denken sollen. Für all jenes, was ich unterließ zu sagen, gleichwohl ich es hätte sagen sollen. Für all jenes, was ich unterließ zu tun, gleichwohl ich es hätte tun sollen. Für all jenes, was ich gedacht habe, gleichwohl ich hätte unterlassen sollen, es zu denken. Für all jenes, was ich gesagt habe, gleichwohl ich hätte unterlassen sollen, es zu sagen. Für all jenes, was ich getan habe, gleichwohl ich hätte unterlassen sollen, es zu tun: Für all jene Gedanken, Worte und Taten bitten wir durch dich, heilige Magdalena, um Vergebung.«
    Ich sage: »Lasst uns die Fürbitte sprechen.«
    Wir sprechen gemeinsam: »Herr, wir bitten dich: Nimm dich unserer Seelen an, denn wir sind hilflos in diesem Jammertal und erwarten das Glück durch deine Gnade.
    Herr, wir bitten dich: Strafe uns nicht, wenn du uns das Glück zuteil werden lässt, sondern erlöse uns von der Furcht, die wir in uns tragen, weil wir das Elend um uns herum sehen, das du nach deiner Weisheit zulässt, aber von dem du nicht willst, dass es uns überwältigt.
    Herr, wir bitten dich: Lass uns standhaft sein im Glauben an dich und im Gehorsam dir gegenüber, auch wenn andere meinen, uns in deinem Namen fälschlich beschuldigen zu können. Wenn sie uns verfolgen, lass uns standhaft sein.« Nun aber lassen alle ihre Fackeln verlöschen und senken den Blick zum Boden. Ich dagegen hebe das Kreuz und schaue zum Himmel empor.
    Ich singe: »Lasst uns das kommende Königreich anrufen.«
    Wir sagen gemeinsam: »Der Tag wird kommen …«
    Ich singe: »… wo wir unsere Heimstatt finden werden.«
    Wir sagen gemeinsam: »Der Tag wird kommen …«
    Ich singe: »… wo unsere Not ein Ende hat für alle Zeit.«
    Wir sagen gemeinsam: »Der Tag wird kommen …«
    Ich singe: »… wo wir voller Stolz unsere hochwohlgeborene Königin Magdalena wiedersehen, die gestorben ist ihrer Barmherzigkeit wegen.«
    Dann schweigen wir und hernach löst sich unsere Versammlung auf.

Auf den Tag genau zum siebenten Geburtstag von Johannes, meinem geliebten Sohn, kam El Arab, begleitet von dem treuen Ibrahim, zurück in unsere Stadt, jeder auf dem Rücken eines Schimmels reitend. El Arab jedoch war gekleidet eher wie ein Streuner denn wie ein Edelmann oder ein Gelehrter.
    »Herr, Ihr seht nicht gerade wie ein König aus«, sagte ich, nachdem wir uns ausgiebig begrüßt und zum Trunke gesetzt hatten. Das Zimmer, in welchem ich Audienz hielt und das ich nicht verändert hatte seit Magdalenas seligen Tagen, war erfüllt von dem Geruch der beiden Gäste: Der Geruch aber setzte sich zusammen aus dem Moder der Abenteuer sowie aus Nelken und Vanille.
    »Das Königreich ist verloren«, antwortete El Arab. Dabei aber lachte er und Ibrahim

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