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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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die eine oder andere Weise vernichtet.
    Eine zentrale Herausforderung beim Schreiben von im Mittelalter spielenden historischen Romanen stellt jedoch die Sprache dar. Einerseits will und kann man als heutiger Autor keinen authentischen mittelalterlichen Text verfassen. Wer einen authentischen mittelalterlichen Text lesen möchte, sollte auf die entsprechenden überlieferten literarischen Werke zurückgreifen. Andererseits hängt die Überzeugungskraft eines Romans – nach Mario Vargas Llosa das entscheidende Kriterium für die Güte eines Kunstwerkes – entscheidend von der sprachlichen Atmosphäre ab.
    Eine im Hintergrund wirksame Regel, um eine fiktiv-authentische mittelalterliche Sprachatmosphäre zu schaffen, lautet, nach Möglichkeit auf Worte zu verzichten, die keinen mittelhochdeutschen Stamm haben. Worte wie »authentisch«, »konstruieren«, »reagieren« gelangen erst nach dem Mittelalter ins Deutsche; »konstruieren« wird, obwohl lateinischstämmig, erst im 16. Jahrhunderte über das Italienische kommend in den deutschen Sprachschatz aufgenommen. Darum klingt es für mich schräg, wenn in der »Baudolino«-Übersetzung u.a. »konstruiert« wird: Umberto Eco hat das Wort völlig zu Recht im italienischen Original benutzt. Für eine authentische Übersetzung hätte man auf ein anderes Wort zurückgreifen sollen.
    Ein erster Check, ob ein Wort »alt« ist, besteht darin zu spüren, ob es als Fremdwort wahrgenommen wird. Bei »konstruieren«, »Fenster« oder »Nase« handelt es sich zwar in allen drei Fällen um lateinischstämmige Worte, aber nur das erste kling nach einem Fremdwort, die beiden anderen nicht. Für ein vertieftes Sprachverständnis kommt man allerdings nicht darum herum, in entsprechenden etymologischen Wörterbüchern nachzuschauen.
    Nach der Recherche tun sich dann einige Probleme auf: Wir müssen nicht nur auf die Worte wie »konstruieren«, »reagieren« oder »Idee« verzichten, sondern z.B. ebenso auf das geläufige Wort »Plan« – und damit auch auf »planen«! Das Wort »Absicht« bedeutet ja nicht genau das gleiche wie »Plan« . (noch deutlicher wird der Unterschied bei den Verbformen »beabsichtigen – planen«. Hier heißt es, flexibel und kreativ zu sein. Jeder, der es versucht, wird jedoch bald bemerken, wie gut die Beschränkung auf Worte mit mittelhochdeutschem Stamm dabei unterstützt, in mittelalterliche Begriffslogik und Sprachbilder zu finden.
    Da es keine Neuhochdeutsch-Mittelhochdeutsch-Wörterbücher gibt, muss man sich eigene Wortlisten anlegen. Ein Trick, den ich unter anderen angewandt habe, um an authentische mittelhochdeutsche Formulierungen zu kommen, besteht darin, dass ich das neuhochdeutsche Wort, für das ich eine mittelhochdeutsche Entsprechung suchte, zunächst ins Lateinische übersetzt und dieses dann im »Glossarium Latino-Germanicum« nachgeschaut habe. Das »Glossarium« ist ein Wörterbuch von 1857, in welchem Quellen aus dem 15. Jahrhundert ausgewertet wurden.
    Eine Zwitterstellung nehmen die Luther-Worte ein. Einerseits ist das Luther-Deutsch ja eindeutig nicht Mittelhochdeutsch; andererseits hat Martin Luther »dem Volk aufs Maul geschaut«. Man kann also davon ausgehen, dass er viele Worte, die bei ihm zuerst schriftlich niedergelegt sind, schon vorher im Gebrauch waren. Ich habe Luther-Worte nicht grundsätzlich gemieden. Sie bieten sich besonders da an, wo Luther Eindeutschungen für Worte erfunden . (oder gefunden) hat, die im Mittelalter wahrscheinlich lateinisch gebraucht wurden, z.B. »Morgenland« und »Abendland« für »Orient« und »Okzident«.
    Wenn man als Schriftsteller für den heutigen Leser verständlich bleiben will, kann man die hier vorgestellte Regel nicht dogmatisch befolgen. Vor allem muss man die im Neuhochdeutschen nicht mehr gebräuchlichen mittelhochdeutschen Ausdrücke jeweils in einen Kontext einbetten, in welchem sich ihre Bedeutung dem Leser möglichst leicht erschließen.
    »Die Konkubine des Erzbischofs« war der erste meiner Mittelalterromane, 2001 zuerst erschienen. Die hier vorliegende Version ist nach den dargestellten Grundsätzen 2011 von mir redigiert worden.

Durch den Blick der erzählenden Hauptfigur wird in einem Ausschnitt gezeigt, wie das hochmittelalterliche Projekt religiöser Toleranz gescheitert, das der Moslem Ibn Sina . (Avicenna), der Christ Peter Abaelard und der Jude Moses Maimonides ins Leben riefen.
    Mit der Frage der religiösen Toleranz ist durchaus eng verbunden die nach der

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