Die Konkubine des Erzbischofs
»Ein dreibeiniges Küken, geboren am Abend zuvor, hat mir bereits von dem Unheil gekündet.«
»Auch ich suche nach einem Schatz«, murmelte El Arab geistesabwesend. »Er wird meines Wissens aber nicht verteidigt.«
»Es gefällt Euch, wie der bübische Briefschreiber in Rätseln zu sprechen und das einfache Gemüt einer Frau zu verwirren!« Magdalena ereiferte sich.
»Ich weiß gar nicht, was Herr Averom meint«, sagte der Erzbischof.
»Und ich weiß nicht, was der Herr Erzbischof meint«, ergänzte El Arab.
Seine Unwürden war des Gegenstands überdrüssig und so beschloss er es: »Es ist unsere Aufgabe als Richter, die Sache zu klären. Sorgt euch also nicht darum und lasst uns uns den schöneren Dingen zuwenden, die der Herr uns im Leben geschenkt hat. Herr Averom, seid unser Gast und erzählt von Eurem Werdegang.«
»Wollt Ihr wirklich die Sorge, mit der der Mord unseren Gast erfüllen muss, so einfach übergehen?«, fragte meine hohe Herrin den Erzbischof.
Aber es war wohl eher ihre eigene Sorge gewesen, von der sie sprach. Denn für mich – und meiner Beobachtung nach für meine Herrin ebenso – unerklärlich wehrte El Arab ab: »Das Wort des höchsten Richters der Stadt, die Ordnung wiederherstellen zu können, sollte uns genügen. Gern komme ich Eurer Bitte nach, Herr Erzbischof, und gebe Euch Auskunft über den Weg, den ich eingeschlagen habe.«
Also warf El Arab sich in die Brust und berichtete gefühlsschwanger von seiner Herkunft: »In Afsara bei Buchara geboren, wurde ich volle zehn Jahre, bis ich das Studium des Korans beendete und mich in der Literatur bildete.
Mein Vater gehörte zu den Kündern der Vernunft, die sich Ismailias nannten. Sie erkannten, dass die Lehre des Propheten nicht wörtlich, sondern bildlich zu begreifen sei, mischten sie mit der Weisheit Buddhas und predigten weithin. Mein Bruder schloss sich ihnen ebenfalls an. Ich hörte ihren Gesprächen zu und verstand sie durchaus, konnte ihnen jedoch nicht vollständig beipflichten.
Mein Vater gab mich an einen Gewürzhändler, der sich in indischer Arithmetik auskannte, damit ich bei ihm lerne. Als ein bedeutender Philosoph nach Buchara kam, bot mein Vater ihm Unterkunft, und ich las unter seiner Anleitung die Schriften des Aristoteles zur Metaphysik, zur Physik, zur Logik und zur Tierkunde.
Die Metaphysik begriff ich nicht, auch als ich sie zum vierzigsten Mal gelesen hatte und schon auswendig wusste. Eines Nachmittages kam ich in die Gasse der Buchhändler zu einem, welcher die Bücher ausrief. Er trug mir ein Werk der Metaphysik an; ich gab ihm eine ablehnende Antwort, indem ich sagte: Es ist kein Nutzen in dieser Wissenschaft. Er sagte mir: Kaufe es, es ist wohlfeil, um drei Drachmen, da der Besitzer desselben Geld braucht.«
»So, da habt Ihr also Euer Leben und Eure Lehren begonnen wie einst der große Avicenna«, unterbrach seine Unwürden arglos.
Jedoch schaute sich El Arab um wie ein auf frischer Tat ertappter Räuber . (was wohl nur mir auffiel) und murmelte: »Stolz darauf darf ich nämlich sein.« Dann fing er sich und fuhr in seinem Bericht fort: »Ich kaufte das besagte Buch des Händlers also und fand, dass es das Werk des Ibn Sina war, den ihr Avicenna nennt: Es handelte sich um einen Kommentar zum Aristoteles. Ich ging nach Hause, beeilte mich, es zu lesen, und also wurde mir der Sinn der Metaphysik des Aristoteles offenbar.
Daneben beschäftigte ich mich mit der Medizin, die von Ibn Sina zu einer Reife entwickelt worden war, die nie wieder erreicht wurde.
Die Niederlage der Ismailias brachte meinem Vater ebenso wie meinem Bruder den Tod und mir die Vertreibung ein, bis ich schließlich nach Alexandria gelangte. Dort ging ich bei einem alten, weisen Arzt in die Lehre, der mich freundlich aufnahm. Er war Christ. Gleichwohl versuchte er nicht, mich zu bekehren. Durch sein Vorbild aber und die Schärfe seines Verstandes lernte ich die Überlegenheit des Christentums kennen. Ohne sein Wissen ließ ich mich taufen und überraschte ihn mit meinem Übertritt gerade noch zur rechten Zeit, bevor er zum Vater abberufen wurde. Mehr noch als meinem Lehrmeister des Geistes, Avicenna, verdanke ich diesem Lehrmeister der Tat.
Nach seinem Tode aber wurde ich als Jünger Mohammeds verleumdet und musste fliehen. Mein Ziel war Granada, das Königreich des Denkens und der Duldsamkeit. Jedoch kam ich vom Wege ab und sah mich nun vielfältigen Verfolgern gegenüber. So sind die Feinde meines Vater hinter mir her, weil ich
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