Die Konkubine des Erzbischofs
verwundert an seine Unwürden: »Ihr kennt den Mörder bereits?«
Warum fragt er nicht, wer der Tote sei?, dachte ich, vergaß die Frage aber schnell wieder.
Der Erzbischof umarmte El Arab überschwänglich und sagte: »Herr Averom, Ihr seid ganz anders, als ich mir Euch vorgestellt habe.«
Es sah etwas eigenartig aus, als der beleibte Erzbischof den schmalen Arzt so herzte und El Arab wie ein frischer Ast gebogen wurde. »Ihr wart bei mir angemeldet, seid aber gleich an der richtigen Stelle untergekommen.« Der Erzbischof legte nun auch meiner hohen Herrin einen Arm um die Schulter. »Es ist gut, wenn er hier wohnt für die Zeit, die er in Köln verweilen will. Dann hört vielleicht der dreiste Pater Bueno auf, herumzutönen.«
»Ich will Euch gerne behilflich sein, den Ketzer Bueno zum Schweigen zu bringen, ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof«, sagte El Arab so steif, wie ich es jetzt schon von ihm kannte.
»Lasst uns hineingehen«, schlug seine Unwürden vor. Zu den Dienern gewandt sagte er: »Räumt den Unrat hier auf, sonst kommen die Ratten und bringen, wie wir alle wissen, das Unglück mit.«
El Arab drehte sich um: »Kennt Ihr wirklich den Mörder? Sonst würde ich mir die Sache gern etwas näher besehen.«
»Nein, ich kenne ihn natürlich noch nicht. Wie sollte ich auch? Wenn mir der Herr den Namen nicht geflüstert hat. Und das tut er für gewöhnlich nicht.« Die Scherze des Herrn Erzbischof waren nicht jedem verständlich. So setzte er, als er El Arabs verwirrten Gesichtsausdruck sah, nach: »Ich wollte erreichen, dass sich die Leute nicht beunruhigen.«
»Das war klug von Euch. Gleichwohl würde ich den abgetrennten Kopf gerne untersuchen dürfen, wenn es Euch beliebt.«
»Also gut, weil es Euch gefällt und mir keine Umstände bereitet: Ich lasse den Kopf für Euch aufheben.« Ich fragte mich, wie seine Unwürden bei einem so grausigen Ereignis derart gut gelaunt sein konnte. »Obwohl ich mir nicht denken kann, wie das der Wahrheitsfindung dient.«
So ließen sich meine Herrin, El Arab und seine Unwürden im Hause nieder. Ganz im Stil der Gemächer im erzbischöflichen Palast war das Zimmer prachtvoll über und über mit Gold ausgestattet. An den Wänden durften die in Elfenbein gefassten Spiegel nicht fehlen, denen der Erzbischof eine solch heilbringende Wirkung auf Körper und Seele zuschrieb. Die Stühle waren mit dickem roten Samt bezogen; ihre Gestalt war überheblicherweise kleinen Thronsesseln nachgebildet. Es befand sich in diesem Raum auch ein Schrein mit einer überaus wertvollen Reliquie, einem Fingerknochen von Johannes des Täufers rechter Hand.
Nachdem der langsame Gisbert das Bier gegen den Durst eingeschenkt hatte, noch etwas langsamer und zittriger als sonst, sagte die Herrin in geziemender Form:
»Ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof, ich freue mich, Euch demütigst in Eurem Hause zu begrüßen, wenn es auch nicht die besten Umstände sind. Ich würde Euch gern unseren Gast, Herrn Averom, vorstellen, obgleich Ihr ihn wohl schon kennt; aber dringender scheint mir, dass ich Euch den Brief zeige, den ich bei dem abgetrennten Kopf gefunden habe. Er ist versiegelt mit einem Zeichen, das mir unbekannt ist. Das Siegel ist noch ungebrochen, weil Ihr es Euch ansehen solltet.«
Das Siegel zeigte eine geheimnisvolle Schlange, die sich um einen Kelch zu winden und in den Kelch zu spucken schien.
»Es ist mir in der Tat unbekannt«, sagte seine Unwürden und reichte die Briefrolle weiter an El Arab.
Der sagte: »Mir ist es nur zu bekannt. Es handelt sich um mein Siegel.« Seine Augenbrauen rückten, Unheil vorausahnend, zusammen.
»Dann seid Ihr in Schwierigkeiten«, lachte seine Unwürden. Sein Lachen aber, das wusste ich besser als jeder andere, konnte sehr falsch sein.
»Wenn ich Schuld auf mich geladen hätte, würde ich mich nicht so freimütig zu dem Siegel bekennen«, entgegnete El Arab kalt. »Ein Siegelring ist mir vor Mondesfrist abhanden gekommen.«
»Ich verdächtige Euch nicht, denn wenn ich den Mörder auch nicht kenne, so hat der Herr mir doch bereits einen Fingerzeig gegeben. Es wird nicht lange dauern, dass ich mein Versprechen dem Volke gegenüber einlösen und den Mörder richten kann.«
»Nun lasst uns den Brief anschauen.« Meine Herrin brach das Siegel und las. »Zur Warnung an den, der seinen Schatz vor dem Hahnentore verteidigt. Das ist ein gar fürchterliches Rätsel!«
»Es bestätigt meinen Verdacht«, bemerkte seine Unwürden selbstgefällig.
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