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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Leben. Und ich bin das Gute am Leben. Also verschenkt mich nicht.«
    Es kitzelte, als die Menschen also über die Oberschenkel zurück zum anderen Ufer gingen. Ich mochte den Kitzel. Aber dabei zuckten mir die Schenkel, und die Menschen fielen erneut. Da das Wasser sie jedoch offensichtlich nicht wollte, fielen sie nicht nach unten in die Tiefe, sondern nach oben in die luftige Höhe. Dort nahmen sie die violetten Engel in Empfang.
    »Nanu«, sagten die Engel, ganz und gar violett vom Kopfe bis zum Fuße, Serafine und Cherubine und andere, die ich nicht kannte, »da kommt ihr aber früh. Zu früh. Wir werden euch sanft zurückgeleiten auf die feuchte und die trockene Erde, so dass ihr dort noch glücklich sein und eurem Gotte dienen könnt. Denn glaubt ihr, euer Gott habe euch gemacht, damit ihr düster und unglücklich seid, streitet, hungert und keine helle Freude habt am Leben? Das kann ja nicht sein.«
    Nun kitzelte es wieder, und die Menschen liefen zum Bauchnabel. Dort erwartete sie die schöne grüne Frau, die ich schon kannte. Aber die luftige Grüne sagte nichts. Dann verwandelte sie sich in einen Mann, blau und rot und stark. Und der sprach: »Ihr erwartet, dass ich etwas sage. Aber ich bin aus Luft und kann darum nichts sagen. Wenn ich also etwas sage, sage ich eigentlich nichts. Das ist ein Paradox. Das könnt ihr nicht verstehen, aber ihr werdet es verstehen. Ich kann euch nicht sagen, wann. Denn ich kann euch nichts sagen, sonst könnte ich ja etwas sagen.«
    Dieser blaurote Mann erweckte meine Begierde, und ich erwachte aus meinem Fiebertraume. Es war aber nicht, wie ich vermutete, der langsame Gisbert, der mir Wasser gab, um meinen Durst zu löschen, sondern El Arab.
    »Gisbert?«, fragte ich dennoch unsicher, weil ich meinen fiebergeschwächten Augen nicht traute.
    »Nein«, sagte El Arab. »Du musst trinken, viel trinken.«
    »Ich werde sterben, Herr, ich habe schon die Engel gesehen.«
    »Die Engel haben dich zurückgebracht, mein Kind«, sagte El Arab. »Ich habe dir doch versprochen, auf dich aufzupassen. Es war diesmal ziemlich knapp, weil ich einen Augenblick lang unachtsam war.«
    Als ich dies vernahm, erinnerte ich mich aber daran, dass ich beschlossen hatte, El Arab zu misstrauen, und sagte nichts.
    »Nur so viel: Man hat versucht, dich zu vergiften. Ich weiß nicht, wer diese ruchlose Tat zu vollbringen beabsichtigte, ich habe die Anzeichen der Vergiftung mit Solanaceen-Pulver schließlich aber erkannt und dem ein Ende gemacht, bevor das Gift dich ganz zerstören konnte.«
    Ich war sehr traurig: Da hatte mir dieser Mann das Leben gerettet, doch ich konnte mich ihm nicht anvertrauen! Mir schossen Tränen in die Augen. Ich wollte zurück in meinen Fiebertraum, fliehen vor einer Welt, in der Hufschmied ermordet, Brüder ungerecht hingerichtet, Erzbischöfe schändlich entmannt und demütige Mägde vergiftet werden. Doch nein, ich musste darüber nachdenken, wer mich hatte ermorden wollen. El Arab hatte mir das Leben gerettet. Aber er sagte, er wisse nicht, wer der Täter sei. Ich werde mich nicht erniedrigen, ihn zu bitten, es in Erfahrung zu bringen, dachte ich überheblich, sondern muss es für mich selbst herausfinden. Vielleicht war er ja selbst ein Mörder! Es konnte allerdings nicht sein, dass er mein Mörder hatte sein wollen, denn ein Mörder rettet sein Opfer nicht vor dem sicheren Tode … meine Gedanken kreisten und kreisten, ohne ein Ziel zu finden.
    »Du bist schwach, mein Kind«, sagte El Arab. »Und ich weiß, dass etwas vorgefallen sein muss, was dich mir gegenüber argwöhnisch macht. Wenn du bereit bist, sage es mir. Bis dahin magst du schweigen. Nur um eins bitte ich dich: Werde gesund!«
    Es dauerte einige Tage, bis ich wieder ganz ohne Beschwerden war. El Arab brachte mir Essen, und niemand anderes durfte die Kammer betreten, in der ich zusammen mit Johannes, meinem geliebten Sohne, lag. Ich fragte, ob nicht der langsame Gisbert sich um mich kümmern könne, damit der hohe Herr von dieser Pflicht entlastet würde; aber ich erfuhr, dass der langsame Gisbert zum Dienste beim Erzbischof berufen worden sei.
    Warum? Ich fragte es mich. Ich fragte es nicht El Arab. Eine Antwort fand ich für mich nicht, denn ich war noch schwach. Mich quälte außerdem die Frage, wem ich mehr Treue schuldete, meinem toten Bruder oder meiner lebendigen Herrin. Manches Mal meinte ich, sie sei zu meinem Untergange mit El Arab verschworen. Ein anderes Mal wähnte ich meine hohe Herrin in der

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