Die Konkubine des Erzbischofs
gleichen Gefahr wie mich, nämlich von El Arab in eine dunkle Machenschaft verwickelt worden zu sein. Dann wieder beruhigte mich, dass mich El Arab vor der Vergiftung bewahrt hatte, so dass es schien, als müsse es eine andere Lösung für das Rätsel geben, vor dem ich stand. Statt El Arab mit den Zweifeln in meinem Herzen vertraut zu machen, wovor mir Angst war, wurde ich ein wenig frech und sagte also zu ihm:
»Herr, wie geht es mit der Rückeroberung Eures Sultanats? Oder gibt es das gar nicht, und ich habe das womöglich nur im Fieber phantasiert?«
»Man muss vor euch Bediensteten auf der Hut sein, Teufel noch mal«, sagte El Arab und zwinkerte mir neckisch zu. »Ihr bekommt so allerhand mit. Ja, ich bin dabei, mein Heer zu ordnen.«
Ich aber war sehr erregt und ach so wissbegierig und fragte: »Wo liegt dieses Land? Wie viele Menschen leben dort? Ist es fruchtbar? Sind die Menschen dort glücklich, oder werden sie es sein, wenn Ihr dort regiert? Ach, ich wünschte, wir alle würden in so einem Lande leben, wie Ihr es beschreibt, einem Lande, in welchem die Menschen einander helfen und nicht übereinander herfallen, weil sie einen anderen Glauben haben. Wie dumm das ist!«
»Du stellst zu viele Fragen auf einmal, um sie zu beantworten.« El Arab wurde, wie er es manchmal an sich hatte, abweisend und unnahbar. »Aber du kannst es ja selbst sehen, denn ihr, du und dein Kind, könnt auf mein Geheiß hin zusammen mit der Königin kommen, sobald ich als Sieger aus dem Kampfe hervorgegangen bin. Bis dahin gedulde dich und sei versichert, dass es weder meiner Liebsten noch mir noch dir oder irgendeinem Untertan an irgendetwas fehlen wird – weder für den Leib noch für den Geist.«
Nein, ich wollte mich noch nicht zufriedengeben, denn mein Wissensdurst war größer als mein Taktgefühl: »Dieses Buch, Herr, welches Ihr erwähnt habt, ist es wirklich so mächtig? Werdet Ihr mit einem Buche Euer Land zurückerobern?«
»Das hast du wunderschön gesagt. Ja, mit dem Buche werde ich mein Land zurückerobern. Zwar wird das Buch auch das Schwert des Heeres benötigen, aber nicht ich, sondern wahrhaft das Buch wird vorangehen.«
»Ich bin ganz aufgeregt und kann es kaum erwarten. Was für eine Vorstellung, mit Euch zu ziehen und zu sehen, wie ein Buch ein Land erobert! Welch wunderbare Vorstellung!« Es war wohl so, dass ich mich zum Narren machte mit meiner Erregtheit. »Aber sagt mir, Herr, bitte, wenn es gefällt: Was steht in dem Buche, was es so mächtig macht?«
»Weil es gefällt, zum Beispiel dieses: Selbst der Autorität der christlichen Philosophen beugen wir uns nicht, ohne ihre Meinung vorher mit der Vernunft zu überprüfen. Das ist der Satz, der es uns und allen anderen Herrschern unmöglich macht, über den Willen des Volkes uns hinwegzusetzen und selbstherrlich zu herrschen. Erkennst du, was ich meine?«
Ja, ich erkannte, was er meinte! Ich erkannte jedoch hauptsächlich, dass es genau der Satz war, den ich aufgeschlagen und gelesen hatte. War es Zufall? Es konnte kein Zufall sein. Der Himmel gab mir ein weiteres Zeichen! El Arabs Vision von seinem Sonnenreich glich an Schönheit seiner Liebe zur hohen Herrin. Aber war dies nicht alles nur Lug und Trug, wenn ich mir vorstellen musste, was er dem buckligen Grafen von Dampierre, meinem Bruder und vielleicht dem Hufschmiede angetan hatte? Kann denn ein Mörder und Betrüger ein Reich der Liebe und des Friedens errichten? Nein, der Herr ließ mein Herz nicht zur Ruhe kommen.
Aber der folgende Tag, es war zu Maria Magdalenas Bekehrung, ließ mir keine Muße, um meine Nachforschungen wieder aufzunehmen, denn er war angefüllt von den Vorbereitungen zu einem Fest, das an dem von Konrads Sterndeuter angeratenen Tage ausgerichtet wurde. Dieses neuerliche ausgelassene Fest sollte, wie wir natürlich damals noch nicht wissen konnten, das letzte seiner Art sein. Und es war dem Anlasse angemessen: Der Erzbischof und Magdalena zeigten sich denen, die würdig waren, geladen worden zu sein, als das prachtvolle Herrscherpaar, und alle waren tief beeindruckt. Niemand konnte ahnen, welche Pein es beiden bereiten musste, so aufzutreten. Aber Konrad tat es wohl, um vor den Augen des Adels und der Bürger seine Entmannung zu verbergen – und vielleicht auch vor seinen eigenen Augen! Und Magdalena ergab sich in ihr Schicksal, wie ich dachte, weil sie nicht wusste, wie sie sich sonst hätte verhalten sollen, so lange, bis El Arab sie erlösen und aus den Verstrickungen
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