Die Konkubine des Erzbischofs
gibst, die Einsichten zu erlangen, nach denen es ihn dürstet.«
»Wir bitten dich, erhöre uns«, antwortete die Menge.
»Wir bitten dich, heiliger Geist, dass du uns Einheit und Frieden gibst und uns erlöst von den Streitigkeiten, die die Stadt spalten.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
»Wir bitten dich, König des Friedens, dass du uns Ruhe und Gesundheit gibst, die wir brauchen, um die Menschen zu sein, die du geschaffen hast.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
»Und wir bitten dich, allmächtiger Vater, dass du den beiden Menschen die Kraft gibst, ihr Werk zu vollenden, die das Heim der weißen Frauen zu leiten übernommen haben.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
»Wir bitten dich, Retter der Armen, die Christen in ihrem Herzen zu erweichen, dass sie Almosen geben für jenes Heim, in dem die Kölner Mädchen wohnen können, die von ihren Mitmenschen als von Schande behaftet verachtet werden. In jeder Frau nämlich, die ohne Gatten ein Kind gebären muss, sehen wir Christen in sündiger Form das Abbild der heiligen Familie.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
»Wir bitten dich, gütiger Vater, strafe uns nicht, wenn du uns das Glück zuteil werden lässt, sondern erlöse uns von der Furcht, die wir in uns tragen, weil wir das Elend um uns herum sehen, das du nach deiner Weisheit zulässt, aber von dem du nicht willst, dass es uns überwältigt.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
»Und wir bitten dich, lieber Gott, demjenigen unter uns, der mutig ein Königreich des Friedens auf Erden schaffen will, eine glückliche Hand zu schenken.«
»Wir bitten dich, erhöre uns.«
Als dann das Abendmahl gefeiert wurde, lag über den Köpfen ein Glanz, den noch kein menschliches Auge je gesehen hatte. Magdalena aber brach, nachdem sie die Eucharistie empfangen hatte, vor dem Gekreuzigten zusammen und flehte: »Dein heiliges Leid sei mein Leid, das Leid, das noch die tiefste aller Freuden schenkt.«
All jene, die an dieser Messe teilgenommen hatten, empfanden sie als das größte Wunder, das sie je miterlebt hatten.
Das Wissen aber um die Entmannung des Erzbischofs lastete mir schwerer auf der Seele, und es bedrückte mich mehr, als ich zunächst angenommen hatte. Ich hatte mich wohl für stärker gehalten, als es der Wahrheit entsprach. Weil ich es vorzog, nicht mit El Arab darüber zu reden, erleichterte ich mein Gewissen, indem ich den langsamen Gisbert in das Geheimnis einweihte, dass der Erzbischof ein Verschnittener sei. Der langsame Gisbert erschien mir überaus vertrauenswürdig, schließlich hatte er mir geholfen, dass ich meinen Bruder vom Vorwurfe des Betruges am Hufschmied reinwaschen konnte; und jetzt kümmerte er sich aufopfernd um mich. Der langsame Gisbert nahm das Geheimnis erheitert auf und machte ein oder zwei ungehörige Bemerkungen über die Unkeuschheit der Pfaffen, die allgemein bekannt sei. Vielleicht wäre es ihm möglich, so hoffte ich, bei seinem Vetter Goswin noch weitere wichtige Auskünfte zu erlangen. Denn recht betrachtet war Goswin, so abstoßend er mir auch erschien, der einzige, der mich wirklich weitergebracht hatte bei der Entwirrung des Rätsels … Oder war es vielmehr die Kunde, die ich von Paulina empfangen hatte, die den Schlüssel für die Lösung darstellte? Einerlei, ich bat den langsamen Gisbert also um weitere Erkundigungen, und er versprach, obgleich es ja jetzt gewissermaßen zu spät sei, Augen und Ohren für mich aufzuhalten.
Ich aber verfiel erneut in meinen Fieberwahn. Nun nämlich waren es die rosa Beine, die eine gewaltige Brücke über den majestätischen Rhein bildeten. Die Menschen liefen auf ihren Köpfen über die Brücke hin und her und riefen: »Wozu brauchen wir eine solche düstere Brücke, wenn wir nirgendwo ankommen?« Meine Schenkel aber waren böse und sagten: »Ihr seid undankbar, ihr dummen Leute. Also fallt doch ins Wasser.«
Es gab viele laute Platscher, als die Leute in den Rhein fielen. Sie schrien um Hilfe. Das blaue Wasser verschluckte sie jedoch nicht, sondern spie sie wieder aus: »Meint ihr«, sagte das Wasser, »ich würde mich von euch ockerfarbenen Sündern beschmutzen lassen? Wäre ich noch rein, wenn ich euch aufnehmen würde? Fragt woanders nach, ob man euch dort behilflich sein kann zu sterben. Ich gebe euch dem grünen Leben zurück. Danket mir nicht, denn ich weiß, was das Leben an grauem Leiden mit sich bringt. Ich aber sage euch, dass es nicht wenige Leiden sind. Dennoch bin ich das Leben, denn ohne mich ist kein
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