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Die Konkubine des Erzbischofs

Die Konkubine des Erzbischofs

Titel: Die Konkubine des Erzbischofs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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hatten, wurden die Kobolde bunt wie jene und fröhlich und tollten unter dem sanften Mondscheine umher.

Vom Fieber betäubt vermochte ich nicht, darüber nachzudenken, wie ich weiter vorgehen konnte, um den Mord am Hufschmied, der den ungerechten Tod meines erstgeborenen Bruders nach sich gezogen hatte, doch noch aufzuklären. Denn obgleich ich Rignaldo nun nicht mehr zu retten vermochte, musste ich der Wahrheit habhaft werden, um zumindest seine Ehre wieder herzustellen und dem feigen Mörder das Handwerk zu legen.
    Als das Fieber nicht ganz so schlimm war, wollte ich im Gespräche mit El Arab vorsichtig erkunden, welchen Anteil er an dem Falle hätte und wie groß die Schuld sei, die er auf sich geladen, aber es fand sich keine Zeit, da zu Onesimus der denkwürdige Tag gekommen war, an dem Pater Bueno Magdalena in die St.-Gereons-Kirche eingeladen hatte: Er wollte zusammen mit ihr eine Messe feiern.
    Sie brachte ihre Anhängerinnen mit und war gewandet fast wie ein Priester selbst. Es waren sehr viele Menschen da, die mehr die Neugierde als der Glauben trieb, sich hier im Dekagon unter der vielleicht größten Kuppel der Welt zu versammeln.
    St. Gereon war eine treffliche Wahl. Denn, wie Helinandus, ein französischer Zisterziensermönch, predigte, war es der heilige Gereon, der viele hundert Märtyrer der Thebäischen Legion geführt hatte, als diese sich dem Befehle des römischen Kaisers Maximian widersetzten, Christen zu verfolgen, und daraufhin in sechs Brunnen zu Tode gestürzt wurden. Auf diesem geweihten Boden also stand das stolze Gotteshaus, das mir so viel wie kein anderes bedeutete.
    Der kleine, zitternde Greis hinter dem Gereonsaltar über der »nova crypta« mit den Gebeinen der Märtyrer begann die Predigt schleppend und mühsam:
    »Ihr, liebe Mitbrüder und Christen, kennt mich als einen, der ich wohl nicht mehr bin. Ich darf euch versichern, dass ich nichts von meiner Überzeugung verloren habe, dass der einzige und gütige und dreifaltige Gott, der Vater, über uns wacht, als Sohn zu uns gekommen ist und mit dem heiligen Geiste unsere Liebe entfacht. Diese Wahrheit allein ist wichtig. Es ist nicht wichtig, wie die Menschen sind. Die Menschen sind schlecht, ich nicht weniger als ihr. Wir sind nur die Sünder, und für unsere Sünden müssen wir büßen.
    Ich habe gepredigt, viel gepredigt zu euch, zu euch gesprochen, was ich für Gottes Willen gehalten habe und immer noch halte. Die heilige Schrift sagt mir ohne Wenn und Aber …«
    In den Greis kam Leben, und er erhob die Stimme, als er wiederholte: »Ohne Wenn und Aber!
    Das sagt sie: Ohne Wenn und Aber!
    Es gibt kein Wenn und Aber: Ein armes, ein aufrichtiges, ein keusches Leben in Liebe zum Nächsten ist gottgefällig.«
    Nun aber steigerte er seine Stimme zu einem donnernden Tosen: »Arm! Arm! Arm!«
    »Aufrichtig! Aufrichtig! Aufrichtig!« Und weiter: »Keusch! Keusch! Keusch!
    Seid arm! Seid aufrichtig! Seid keusch!
    Das ist Gott wohlgefällig. Ja! Ja! Ja!
    Darum!
    Darum! Darum habe ich gekämpft gegen den Verfall der Sitten in den Kirchen, unter den Kirchendienern, die nicht keusch sind, die nicht arm sind, die nicht aufrichtig sind, die an die Sterne anstatt an den einen Gott glauben, von dem wir alle sind und der allein unser Schicksal bestimmt.
    Gegen den, der unkeusch ist, aber an eurer Spitze steht!
    Gegen den, der in Sünde lebt, aber an eurer Spitze steht!
    Gegen den, der die Münzen fälscht, weil er an eurer Spitze steht!
    Gegen den, der die Sünder beschützt, die unseren Herrn ermordet haben!
    Gegen den, der einen Aberglauben hegt, anstatt ganz aufrichtig zu glauben!
    Gekämpft! Gekämpft! Gekämpft!
    Gehasst! Mit meinem Hass verfolgt! Gehasst!«
    Pater Bueno hielt inne und setzte neu an. Seine hochbetagte Stimme klang jetzt heiser, und er krächzte wie eine Krähe: »Ich bitte Gott, dass dies nicht der falsche Weg ist, dass dies nicht die Sünden sind, um derentwillen er mich bestraft. Denn Strafe habe ich verdient.
    Unzweifelhaft! Strafe! Verdiente Strafe!
    Bestrafe mich, guter Gott!
    Dass du gut bist, zeigst du, indem du mich bestrafst! Meine Schuld! Oh, meine Schuld!
    Bestrafe mich! Ich bin schuldig! Schuldig!
    Nein, meine Sünden sind andere: Ich war nicht demütig, sondern selbstgefällig.«
    Seine Stimme brach völlig, und nur unter Heulen und Schluchzen konnte er fortfahren, während die heißen Tränen über sein altes, schrecklich zerfurchtes Gesicht liefen: »Nicht demütig! Welche Schuld!
    Nicht unterwürfig!

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