Die Kornmuhme (German Edition)
und sofort explodierte der Feuerball mit einem
ohrenbetäubenden Knall auf dem entstellten Zwergenkörper. Die Flammen
umschlangen sie, umhüllten Irrsul von Kopf bis Fuß, wie mit einem Mantel, und
verbrannten die nun Schreiende und wimmernde Hexe.
Auch Sonnwin wurde von den
leckenden Feuerzungen erfasst, rollte auf dem Boden herum, schrie und schlug
auf die brennenden Stellen an seinem Körper ein. Doch nichts half. Nicht sein
Fleisch nämlich verbrannten die blauen Flammen. Sie wurden von der Dunkelheit
genährt, die sich tief in sein Selbst gegraben hatte. Sie saugte an ihm und er
hatte das Gefühl, dass sie sämtliche Energie aus ihm zog, solange, bis er
sterben würde. Bilder aus seinem Leben tauchten auf und liefen wie in einer
Rückschau vor seinem inneren Auge ab.
Gulda erschien ihm - wie sie ihn
küsste, wie sie sich liebten, wie ihre Körper sich vereinigten, wie sie ihn
damals vor ihrer Vermählung umsorgt hatte, wenn er krank war – damals, als sie
ihn noch geliebt hatte und er sie. Es war nicht alles schlecht gewesen …
Und dann, mit einem Mal erlosch
das Feuer auf ihm und er blieb vor Schmerz betäubt liegen. So nah hatte die
Kugel ihn dem Tod gebracht, beinahe hatte sie ihn ausgelöscht. Doch da war noch
etwas Unzerstörbares, Reines in ihm gewesen. Etwas, wie die Liebe zu Gulda und
zu seinen Kindern.
Lange lag er regungslos auf dem
Rücken, bis er soweit zu sich kam, dass er sich vor Schmerz stöhnend aufrichten
konnte. Ihm wurde klar, dass er die ganze Zeit auf den reglos daliegenden
Körper Irrsuls gestarrt hatte. Irrsul bewegte sich nicht mehr, und Sonnwin
ahnte, dass nichts aber auch gar nichts Gutes in ihr gesteckt hatte, was sie
vor dem endgültigen Erlöschen hatte retten können. Die Flammen mussten tödlich
für sie gewesen sein. Das Leuchten der Blume war so gut wie erloschen, und auch
dieses letzte Glimmen wurde schwächer und würde vergehen.
Er rappelte sich auf. Einen
grauenvollen Anblick bot er nun - zerzaust und dreckig, mit zerrissener
Kleidung und vor Anstrengung und Schmerz entstelltem Gesicht. Und grau war er
geworden. Ja sogar seine Kleidung hatte jede Farbe verloren. Die Kugel! Das
Feld! Aron!
Er schlug sich auf die Wangen, um
wach zu werden.
>>Konzentrier dich …
konzentrier dich!<< , sagte er immer wieder halblaut zu sich selbst. Er
packte stöhnend seine ringsum verstreuten Habseligkeiten wieder in den Rucksack
zurück, wischte sich mit einem Hemdzipfel das Blut aus dem Gesicht und hielt
dann inne. Die ewige Flamme lag wenige Meter von ihm entfernt und flackerte
still vor sich hin. Ihr Glas war makellos geblieben, obwohl sie durch die Luft
geschleudert worden war. Langsam näherte er sich. Die Flamme wurde größer.
Als er sich bückte, und versuchte
sie vorsichtig zu berühren, sprang sie sofort auf seine Hand über, und ein
stechender Schmerz ließ ihn aufschreien und zurückfahren. Verdammt! Er konnte
die Kugel nicht mehr anfassen. Er fluchte, und stapfte wutentbrannt auf und ab,
versuchte es immer wieder. Doch mit seinem Ärger wuchs erst recht das
Unvermögen, die Kugel aufzuheben. Er setze sich auf den Rücken eines dicken
Hoxbergers, schlug die Beine untereinander und dachte angestrengt nach. Was war
es gewesen, das ihn gerettet hatte? Gulda? Sofort kam ihm ein Bild in den Kopf,
wie sie beim Abschied schimpfend vor ihm gestanden hatte.
Oft hatte sie das getan. Er hatte
nie etwas richtig machen können in ihren Augen. Und dann, ganz unvermittelt,
dachte er an seinen jüngsten Sohn, Brokk. Er war ihm am ähnlichsten und liebte
es, Sonnwin zuzuhören, wenn er von der Oberwelt sprach. Er versuchte sich an
jedes Detail zu erinnern. An Brokks Geburt, an seinen Duft, seine hellen Augen,
sein Lachen. Lange saß er so da, und holte sich das Bild seines Sohnes immer
und immer wieder zurück. Es schmerzte ihn, dass er nun zuhause ohne seinen
Vater war. Irgendwann blickte er auf die ewige Flamme. Er erhob sich und ging
langsam auf sie zu.
Als er sie berührte umzüngelte sie
schmerzhaft seine Finger, aber es war ertragbar. Er hatte an diesem Tag schon
so viel Schmerz erleiden müssen, dass ihm dies hier dagegen lächerlich
erschien. Er eilte umher, um etwas zu finden, womit er die Kugel besser
handhaben konnte. Er würde eine Fackel bauen, jawohl!
An einer Hauswand lehnte ein
kleiner Gemüsestand, der aus knorrigen Ästen gezimmert worden war. Sonnwin
zückte sein Messer und schnitt die Schnüre durch, die das Gestänge zusammen
hielten. Dann knotete er die
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