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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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hilflos. Es war so groß! Wo
sollte er anfangen?
    Er kniete nieder, küsste das Kreuz
um seinen Hals und betete.
     
     

50
     
    Hinter sich hörte Ranja ein Knacken,
und als sie sich umdrehte, sah sie Idas zusammengekauerte Gestalt an einem Baum
nicht weit von sich lehnen. Die Sonne ging langsam auf, und so konnte Ranja Ida
nun viel besser erkennen. Wie war sie so schnell hierhergekommen? Sie musste
gerannt sein. Die Flecken auf ihrem Kleid waren größer geworden. Sie hatte eine
Menge Blut verloren.
    >> Ranja<<, keuchte
sie, >> Verzeih mir! <<
    Ranja wollte wegrennen, aber Idas
Anblick war so herzzerreißend, dass sie es nicht schaffte. Zudem war sie
irgendwie froh, in dieser grauenvollen, nach Tod und Verwesung riechenden
Umgebung, ein menschliches Wesen zu sehen.
    Ranja ging langsam auf Ida zu und
blickte ihr fest in die Augen.
    >> Verzeih mir! <<,
flüsterte diese noch einmal unter Tränen. >> Ich musste es tun, Ranja,
ich habe sie getötet, Mara, … Gryla ist tot! <<
    Ranja liefen Tränen über die
Wangen, und sie musste lachen und weinen zugleich. Sie drückte Ida feste an
sich. Ida schluchzte stumm, so dass ihr Körper unter Ranjas Armen zuckte. Eine
Weile hielt Ranja das dünne Mädchen im Arm, deren Schluchzen nun lauter wurde,
und das sich nun auf einmal wandelte…in ein Kichern.
    Ranja sprang zurück und blickte in
Idas diabolisch grinsendes Gesicht. Das Mädchen stierte Ranja mit weit
aufgerissenen, triumphierend funkelnden Augen an. Ranja erstarrte, als sie
Grylas hassverzerrte Fratze erkannte.
    Sie schrie auf und hielt die Hände
schützend vor ihr Gesicht, so als wenn sie diesen Anblick damit abwehren
könnte.
    >> Jaja, deine arme Ida ist
schwer verletzt <<, zischte die schnoddrige Stimme eines alten Weibes aus
Idas Mund heraus.
    >> Sie hat deine Tante
getötet, das Miststück. Und dabei hat sie sich fast selbst umgebracht. Zu
schade drum…<< Gryla schlenderte vergnügt ein paar Schritte auf Ranja zu,
die bebend zurück wich. Sie blickte auf Idas Bauch. Eine klaffende Wunde verlor
Unmengen an Blut, das unaufhörlich auf den Waldboden tropfte.
    >> Komm schon her, mein
Kind. Auch dieser Körper kann mir nicht länger als Wohnstatt dienen, und dieser
renitente Geist darin ist mir sowieso zuwider. Wehr‘ dich nicht, Liebes, dann
ist es schnell vorbei. <<
    Mit einem schnellen Satz sprang
sie auf Ranja zu und riss sie zu Boden. Gryla lag auf ihr und drückte Ranjas
Hände in den Waldboden. Dann legte sie ihre Stirn auf Ranjas und begann
merkwürdig klingende Worte zu murmeln. Jedes dieser Worte durchstieß wie
brennende Dolche Ranjas innere Abwehr mit Leichtigkeit.
    Gryla drang in sie ein.
     
     

51
     
    Aron erhob sich von seinem Gebet,
machte einige Schritte auf das Feld zu, und stand nun nur noch wenige Schritte
von den ersten Ähren entfernt. Mohnblumen wiegten sich mit dem Korn im Wind und
ließen den Anblick erstaunlich gewöhnlich wirken. Trotzdem schlug Arons Herz
bis zum Halse.
    Er ließ sich auf alle Viere sinken
und versuchte einen Blick zwischen die Halme zu erhaschen. Als er ein wenig
genauer hinsah, erkannte er tatsächlich etwas tiefer im Gehälm eine erste Blume
von einer Art, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Sie leuchtete in
wunderschönem Blau und war mit so vielen, vielgliedrigen Blättern gespickt,
dass es ihm unmöglich schien, dass irgendwer sie je zu zählen vermochte. Der
Wind trug ein leises Wispern zu ihm herüber, und es war ihm, als versuchte die
Blume mit ihm zu sprechen. Verzückung ergriff ihn. Eine ungeheure
Anziehungskraft ging von ihr aus, und er vergaß jede Vorsicht.
    Als er die Grenze des Feldes
überschritt und die ersten Halme berührte, gewahrte die Kornmuhme seine
Anwesenheit. Hätte er sich in diesem Moment aufgerichtet und über das Feld
hinweg den Blick in die Ferne gerichtet, so hätte er am Horizont eine
riesenhafte, schwarze Gestalt mit wehendem Umhang entdeckt, die sich
schlagartig aufrichtete, sich ruckartig suchend umblickte, und dann mit
ausgebreiteten Armen über die Ähren streichend zielsicher in seine Richtung
bewegte. Die Ähren unter ihren Händen dienten der Blinden als Orientierung und
wiesen ihr den Weg. Sie waren ihre Augen und ihre Ohren, ihr Herz und ihre
Seele, denn sie war eins mit diesem Feld.
    Aron jedoch bemerkte nichts. Er
war wie verzaubert von der Schönheit der Blume, in deren geschlossenem Kelch
eine leuchtende Seele pulsierte, die mit ihm zu reden schien. Langsam kroch er
zwischen den Halmen immer weiter auf sie zu. Und nun

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