Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
Vom Netzwerk:
tat. Obwohl sie müde war,
versuchte sie, wach zu bleiben. Sie schielte zum Fenster und las am Stand des
Mondes ab, dass die Mitternachtsstunde nahte.
    Die Ereignisse des Tages hatten
sie völlig erschöpft. Auch wenn sie dagegen ankämpfte, dämmerte sie langsam
weg. Sie dachte beim Einschlafen so intensiv an Aron, dass sie sein Gesicht
bald vor sich sah. Es war anders als sonst, wenn sie ihn tatsächlich im Traum
traf, aber es reichte. Gut eine Stunde lag sie so im Halbschlaf einfach nur da
und schaute ihn an. Dann begann sein Gesicht lebendig zu werden. Er kam näher
und gab ihr einen Kuss auf die Lippen.
    >>Ich liebe dich! <<,
sagte er leise, und ein warmes Gefühl durchströmte sie. Das Kribbeln breitete
sich von ihrem Herzen in ihren gesamten Körper aus. Die Wärme floss in ihre
Glieder, und mit einem Schlag war sie wach. Mit klopfendem Herzen bewege sie
zunächst die Finger, dann die Hände und die Arme. Bald konnte sie ihren ganzen
Körper bewegen. Langsam und unter größter Anstrengung, aber es war möglich. Es
war nach Mitternacht, und draußen begann von Ferne ein Tosen heraufzuschwellen.
Sie erkannte das alljährliche Rauschen und Donnern. Sie kamen!
    Die kreischenden Wesen. Sie konnte
genau hören, wie sie aus nördlicher Richtung herangebraust kamen. Gryla war
anscheinend abgelenkt, denn nicht nur der Gedanke an Aron half ihr, auch der
feste Griff des Banns, der über ihr lag, lockerte sich merklich. Trotzdem war
es für sie unfassbar anstrengend, sich aus dem Bett zu bewegen.
    Es dauerte lange, bis sie sich auf
der Bettkante aufgesetzt hatte und in ihre Schuhe geschlüpft war. Diesmal
interessierte sie der Geisterzug nicht. Sie hielt Aron vor ihrem inneren Auge
immer präsent, konzentrierte sich nur auf ihn. Nun stand sie unendlich langsam
auf, und eine gefühlte Ewigkeit später hatte sie endlich ihre Zimmertüre
erreicht.
    Als sie auf den Flur trat, sah sie
dort schon Ida im Türrahmen der Küche stehen. Sie hatte ein Messer in der Hand,
und im Mondlicht, das durch das kleine Fenster neben ihr fiel, sah Ranja, dass
sie kreidebleich und nassgeschwitzt vor Anstrengung war. Ranja ahnte, dass sie
selbst einen ähnlichen Anblick bieten musste. Schweißperlen liefen ihr an der
Schläfe herab, und ihre Glieder fühlten sich tonnenschwer an, so als wenn sie
sich durch Treibsand bewegte. Zum Sprechen fehlte den Mädchen die Kraft. Durch
das Getöse, das von draußen herein drang, hätten sie ihr Flüstern sowieso nicht
verstanden. Immer wieder musste Ranja stehenbleiben, um sich das Bild von Arons
Kuss zurückzuholen, dann wurde es wieder leichter.
    Beide Mädchen bewegten sich in dem
kleinen Flur wie in Zeitlupe erst aufeinander zu und dann aneinander vorbei.
Idas Augen folgten Ranja irritiert, als diese nicht am Zimmer der Tante stehen
blieb, sondern an Ida vorbei in die Küche ging.
    Als Ranja die Türe zum dahinter
liegenden Kuhstalls erreichte, um nach draußen zu gehen, sah sie im
Augenwinkel, wie Ida ihr stumm nachblickte, eine Hand auf die Klinke zu Maras
Zimmer gelegt. In Idas Ausdruck lag Unverständnis. Dass sie feige war, dachte
Ida sicherlich, aber sie konnte es einfach nicht tun. Was verlangte Ida da von
ihr! Sie hatte erstaunlich schnell den Kuhstall durchquert und trat hinaus ins
Freie.
    Das Rauschen zog ab, und
tatsächlich begann sie nun zu spüren, dass Gryla sich immer weiter entfernte,
da sie bald schneller gehen konnte, und sie Arons Bild nicht mehr so oft vor
ihrem geistigen Auge entstehen lassen musste. Bald konnte sie sich fast normal
bewegen und lief geradewegs auf den Wald zu, der ihr immer so viel Angst
eingejagt hatte. Mit großen Schritten lief sie über die mondbeschienenen Wiesen
direkt in den Raunewald hinein.
     
     

45
     
    Sonnwin drehte sich blitzartig um,
als er Arons Schrei hörte. Er sah die Gestalt eines Zwergs auf Aron zugehen. Er
stutzte. Das Wesen hatte die Statur eines Erdlings, die Größe, die Bewegungen,
aber sein Äußeres…
    Um Irrsuls Körper waren Felllappen
gebunden, dreckig und voller angetrocknetem Blut. Sonnwin vermochte nicht
auszumachen, ob es das Blut des Zwergs war oder das des Tieres, dessen Fell er
trug.
    Er war vollkommen entstellt, und
er konnte kaum glauben, dass der Zwerg Zagels Feuer überlebt hatte. Es war als
würde ein lebendiger Toter auf sie zulaufen. Irrgrimms Körper sah grotesk aus
und die Ursul in ihm sorgte zusätzlich dafür, dass die Boshaftigkeit sein
Gesicht zu einer Fratze entstellte. Niemand hätte diese Verbrennungen

Weitere Kostenlose Bücher