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Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation

Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation

Titel: Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Newberg
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dann tritt ein neuer Gedanke hinzu: Wer ist das eigentlich, der da beobachtet? Dieses »Ich«, wenn man es so nennen kann, unterscheidet sich von allen Vorstellungen, die wir gewöhnlich über uns selbst haben, und es ist gewöhnlich ruhig, gelassen und schweigt. Es beobachtet, reagiert aber nicht. Es hört zu, spricht aber nur selten; und wenn es das tut, erleben die meisten Menschen eine Art innerer Weisheit.
    In der Stille, die in dieser einzigartigen Form des Gewahrseins entsteht, können wir unsere Fähigkeit verbessern, die Zukunft vorherzusagen, und das ermöglicht uns bessere Entscheidungen über unsere Lebensplanung und Karriere. 57 Forschern am Neurosciences Institute in San Diego zufolge scheint dieses beobachtende Ich »nötig zu sein, um das Bewusstsein aufrechtzuerhalten«. 58
    Das ist ein interessantes Paradoxon: Wir brauchen ein beobachtendes Ich, um bewusst zu sein, aber die meisten Menschen sind sich des beobachtenden Ichs nicht bewusst! Stattdessen achten wir viel mehr auf das oberflächliche Bild, das wir uns von uns selbst machen. Diese Bilder sind voller Fantasien, Befürchtungen und Wünsche über unsere Identität, die alle nicht sehr zutreffend sind. Wenn wir lernen, mit unserem beobachtenden Ich diese anderen Bilder zu betrachten, wird uns klar, dass sie nicht unbedingt real sind, sondern bloß Ansichten – von uns selbst wie von anderen Menschen –, die wir im Laufe der Zeit akzeptiert haben. Der sich abzeichnende Trend der Forschungsergebnisse zum Komplex des Bewusstseins ist, dass das beobachtende Ich einen sehr viel zutreffenderen Blick auf die Realität hat. Es scheint sich nicht so aufzuregen wie das gewöhnliche Ich, und je mehr man über diese tiefere Form des Gewahrwerdens reflektiert, desto mehr schwinden Ängstlichkeit und Niedergeschlagenheit. 59
    Wir werden nicht mit dieser bewussten Fähigkeit geboren, unser eigenes Gewahrsein zu beobachten, können sie aber mit den Übungen in diesem Buch entwickeln. Ein starkes beobachtendes Ich führt automatisch zu größerem Wohlbefinden. 60 Es senkt emotionalen Stress 61 und lässt uns bei sozialen Interaktionen die Bedürfnisse anderer Menschen besser erkennen. 62 Deshalb betrachten wir intensive Selbstreflexion als einen wesentlichen Bestandteil der Mitfühlenden Kommunikation.
    In Wirklichkeit müssen wir gar nicht so viel reden, wie wir glauben. Meistens geben wir nur unseren inneren Dialog wieder, mit dem das Gehirn die überwältigende Informationsmenge verarbeitet, die ständig in unser Bewusstsein fließt. Wenn man sich einen Augenblick Zeit nimmt und diese innere Welt bewusst betrachtet, sieht man, dass die meisten Worte, die man mit dem inneren Ohr wahrnimmt, gar nicht an die Außenwelt müssen. Unsere Gesprächspartner haben ihre eigenen inneren Dialoge.
    Wenn man aber einen produktiveren und sinnvolleren äußeren Dialog anstrebt, dann sollten sowohl Sprecher wie auch Zuhörer bewusst langsamer werden, sodass die innere Weisheit des beobachtenden Ichs – die Intuition – in den kurzen Perioden der Stille hervortreten kann. In einem solchen verbesserten Bewusstseinszustand gestalten wir unsere Wortwahl bedachtsamer.
    Wie es ein weiser chassidischer Rabbiner einmal gesagt hat: »Bevor du etwas sagst, frage dich immer, ob deine Worte die Stille verbessern.«

Kapitel 5
    Die Sprache der Zusammenarbeit
    Wenn wir völlig auf uns selbst ausgerichtete, isolierte Wesen wären, gäbe es nur wenig Notwendigkeit zur Kommunikation. Wir täten einfach, was wir wollten und wann wir es wollten. Wenn aber jeder lebendige Organismus sich so verhielte, würde der Wettkampf um knappe Ressourcen – Nahrung, Wasser, fruchtbare Geschlechtspartner – sofort zum gewalttätigen Konflikt eskalieren. Die Biologie hat in der Natur Tausende von Beziehungsstrategien gefunden, die alle den Frieden wahren sollen. Sie lassen sich in zwei Wörtern zusammenfassen: »kooperative Kommunikation«.
    Um zu überleben, bedarf es eines Gleichgewichts zwischen dem, was wir nehmen, dem, was wir teilen, und dem, was wir an andere abgeben, die nicht für sich selbst sorgen können. Die Frage bleibt: Ist der Mensch von sich aus eher selbstsüchtig oder kooperativ, eher gierig oder großzügig?
    Als wir mit der Erarbeitung dieses Buches begannen, neigten wir dazu, den Menschen für grundsätzlich egoistisch zu halten. Einer der frühen Arbeitstitel lautete sogar The Selfish Brain (»Das egoistische Gehirn«) als Anspielung auf Richard Dawkins’ Klassiker Das

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