Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation
egoistische Gen . Es gibt genug Belege für diese Selbstsucht, aber Jahre der Forschung haben uns vom Gegenteil überzeugt. Nur als Säuglinge haben wir die Freiheit zu völliger Selbstsucht. Unser Gehirn ist bei der Geburt so unterentwickelt, dass wir völlig von der Versorgung durch andere Menschen abhängig sind.
Dieser Zustand hält allerdings nicht lange an, denn sobald man für sich selbst sorgen kann, verlangen die Familienangehörigen Gegenleistungen. Man muss lernen, seine Spielsachen mit Geschwistern und Freunden zu teilen, man muss tun, was die Eltern einem auftragen, und man muss seine selbstsüchtigen Impulse zähmen, wenn man in die Schule kommt. Wer das nicht tut, wird bestraft: Das Kind wird in sein Zimmer geschickt oder muss in der Ecke stehen, ohne soziale Kontakte, und diese schmerzliche Lektion macht ihm klar, dass Selbstsucht in der sozialen Arena des Lebens nur selten toleriert wird.
Der innere Kampf allerdings bleibt. Wenn wir etwas teilen müssen, was wir wertschätzen, erhebt sich eine Vielzahl von Fragen, etwa wie viel wir teilen müssen und für wie lange. Das führt zu weiteren Fragen über Gerechtigkeit und Großzügigkeit, aber darauf gibt es keine klaren, richtungsweisenden Antworten. Jede Situation ist anders, weil sie verschiedene Beteiligte mit verschiedenen Ansichten zu diesen Fragen hat, müssen wir uns auf Worte verlassen und eine Übereinkunft aushandeln. Wenn wir keine für beide Seiten befriedigende Lösung finden, kooperiert unser Gegenüber nicht mit uns. Dasselbe gilt am Arbeitsplatz. Man wird von niemandem eingestellt und bezahlt, wenn man nicht etwas von Wert anzubieten hat.
Selbstsucht hat keine Sprache. Wenn wir uns so verhalten, dann werden weder Besitz noch Worte ausgetauscht. Wir nehmen uns einfach, was wir wollen, ohne zu fragen. Aber Fairness erfordert Zusammenarbeit, und diese hängt völlig von einer Kombination aus Dialog, Verhandlung, Kompromiss und Verhaltensänderung ab. Das sinddie grundlegenden Elemente, die von zwei neuen Forschungsfeldern untersucht werden: der Neuroökonomie und der Sozialneurologie.
Mit Versuchen, bei denen Tiere und Menschen in Gehirnscannern untersucht wurden, während sie verschiedene Tausch- und Geldgeschäfte abwickelten, kamen wir zu einer grundlegenden Erkenntnis über die menschliche Natur: In sozialen Interaktionen belohnt man entgegenkommende Menschen mit Freundlichkeit und Großzügigkeit und bestraft die unkooperativen, selbst wenn diese Bestrafung etwas kostet. 1 Und je mehr man jemanden bei fairem, kooperativem und freundlichem Verhalten beobachtet, desto eher ist man gewillt, mit ihm eine dauerhafte Freundschaft einzugehen. 2
Ist Kommunikation und Kooperationbei allen Lebewesen zu beobachten?
Menschen sind nicht die einzige Lebensform auf der Erde, die kooperativ kommuniziert. Wie der Biologe Joel Sachs von der University of California in Riverside berichtet, »durchdringt die Kooperation alle Ebenen der biologischen Organisation«. 3 Selbst einfache Bakterien sind zu erstaunlichem sozialen Verhalten fähig, das durch spezifische Formen der chemischen Kommunikation geregelt wird. 4 Die Verständigung von Pflanzen untereinander ähnelt der beim Menschen erstaunlich. Pappeln, Tomaten und Limabohnen kommunizieren untereinander – über die Luft und über ihre Wurzeln – und können sich sogar mit anderen Pflanzenarten, Tieren und Mikroorganismen verständigen.
Genau wie der Mensch nutzen auch Pflanzen ihre Kommunikation, um zu kooperieren und sich vor Feinden zu schützen. So können Pflanzen zum Beispiel buchstäblich um Hilfe rufen, wenn sie gefressen werden, und die Signale, die sie aussenden, können Fressfeinde des grasenden Tieres anziehen. 5 Einige Pflanzen scheinen die Fähigkeit zum Zuhören zu haben, während andere vermutlich taub sind. 6 Sie benutzen zwar keine Worte, aber sie haben Signalrezeptoren und Laufwege, die denen in den Kommunikationsnetzwerken unseres Gehirns gleichen. 7 Und sie haben sogar ihre eigenen inneren Dialoge; einige Pflanzen können über ihre Gefäßbündelnetzwerke Hormonsignale an andere Teile der Pflanze abgeben. 8
In der Biologie heißt das »innerpflanzliche Kommunikation«. Für uns ist es eine Erinnerung daran, dass Kommunikation auch viele nonverbale Ebenen hat, und zwar nicht nur bei Pflanzen, sondern auch beim Menschen. James Lovelock hat in seinem Buch Gaia sogar behauptet, die Erde insgesamt sei ein lebendiges Ganzes, das mit einem eigenen Kommunikationssystem einen
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