Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation
einer Methode reden, die ich gerade in einem Workshop kennengelernt habe? Es geht ganz einfach: Wir müssen nur sehr langsam sprechen und uns kurz fassen und dabei so entspannt wie möglich bleiben.«
»Okay«, erwiderte Marcy, aber George fiel die Anspannung in ihrer Stimme auf. Das freute ihn. Früher hätte er ein so subtiles Signal nie bemerkt.
»Ich fange an«, sagte George. »Ich möchte dir gern sagen, wie ängstlich mir zumute ist. Normalerweise überspiele ich das.«
George bemerkte einen überraschten Ausdruck bei Marcy und wurde noch nervöser. »Großer Fehler«, sagte er sich.
Aber Marcys Antwort war unerwartet: »Ich weiß, wie du dich fühlst, aber es freut mich, dass du mir das anvertraust. Die meisten Männer, mit denen ich mich getroffen habe, wollten nicht sagen, wie sie sich wirklich fühlten.«
George spürte ein warmes Glühen in seinem Körper und lächelte. Etwa zwanzig Minuten lang unterhielten sich die beiden darüber, wie schwierig es ist, seine Gefühle auszudrücken. George fühlte auf einmal, wie ihm die Tränen kamen. »Es macht mir Angst, dir das zu sagen, aber ich tue es trotzdem: Ich bin noch nie so offen und ehrlich einer Frau gegenüber gewesen.«
Auch Marcy hatte feuchte Augen. Sie strich George über den Arm. »Ich weiß, wie es dir geht. Mein Ex und ich haben uns die ganze Zeit gestritten, und wir hatten praktisch nie diese Vertrautheit miteinander, nur ganz selten. Und wir beide schaffen es schon beim ersten Treffen!«
Marcy und George sprachen noch drei Stunden lang langsam und vertraut miteinander und einigten sich darauf, immer dann auf die Mitfühlende Kommunikation zurückzugreifen, wenn Angst oder Ärger auftauchten.
Und jawohl, sie haben später geheiratet.
Die letzte Verabredung
Mitfühlende Kommunikation garantiert nicht, dass aus einer Beziehung Liebe wird. Wenn zwei Menschen einander mitteilen, wie sie sich wirklich fühlen – wobei sie die Werte des Gegenübers in einer Atmosphäre des Respekts erkunden –, dann kann ihnen auch klar werden, dass sie nicht besonders gut zueinander passen. Aber wenn sie weiterhin die Prinzipien der Mitfühlenden Kommunikation anwenden, können sie die Beziehung im Geist der Freundschaft beenden, was nur wenigen gelingt. Oft braucht man dazu allerdings die Hilfe eines Therapeuten oder Coachs.
Trudy war seit fünf Jahren mit Bob verheiratet, und sie waren wie Hund und Katz. Sie mochte Kinder und Tiere, er nicht. Sie las spirituelle Selbsthilfebücher und besuchte Seminare über die Persönlichkeitsentwicklung. Er hatte nichts für Religion übrig und entspannte sich lieber vorm Fernseher von seinem anstrengenden Arbeitstag. Sie sprach gern über alles Mögliche, er beschwerte sich lieber. Sie sah immer das Positive an einer Situation, während er ein Untergangsprophet war. Selbst ihre politischen Ansichten waren einander entgegengesetzt.
Die Spannungen bauten sich auf, und schließlich schleifte sie ihn zu einer Paartherapie. Während der ersten Stunde tat Bob nichts anderes, als sich beim Therapeuten darüber zu beschweren, dass seine Frau kontrollsüchtig wäre.
Der Therapeut, der eine Ausbildung in Mitfühlender Kommunikation hatte, unterbrach ihn mit der Frage: »Bob, was ist Ihr tiefster Wert?«
Bob war von der Frage überrascht. »Ehrlichkeit, würde ich sagen.«
»Und Ihr tiefster Beziehungswert?«, fragte der Therapeut.
Bob erwiderte rasch: »Respekt!«
Der Therapeut sagte: »Bob, ich weiß, dass Sie ehrlich sind, wenn Sie Trudy sagen, dass sie kontrollwütig ist, aber gestatten Sie die Frage: Sind Sie auch respektvoll ihr gegenüber, wenn Sie sich beklagen?«
Bob war peinlich berührt. »Na ja, eher nicht«, murmelte er.
Darauf wandte der Therapeut sich an Trudy. »Was halten Sie von Bobs Werten: Ehrlichkeit und Respekt?«
»Sie sind wichtig, aber so, wie ich es empfinde, behandelt Bob mich nicht mit Respekt«, erwiderte sie mit starker Feindseligkeit in der Stimme.
»Trudy«, wollte der Therapeut wissen, »was sind Ihre tiefsten Beziehungswerte?«
»Freundlichkeit und Vertrautheit«, erwiderte sie sofort.
»Bob, was halten Sie von Trudys Werten?«
»Damit bin ich einverstanden«, antwortete Bob.
»Dann sind wir uns ja einig«, schloss der Therapeut. »Sprechen Sie sich jetzt bitte aus. Seien Sie ehrlich, aber achten Sie darauf, freundlich und respektvoll zu bleiben. Glauben Sie, dass Sie es schaffen?«
Bob und Trudy wollten es versuchen.
»Schön!«, sagte der Therapeut. »Aber zuerst möchte ich
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