Die Kraft gelebter Gegenwart
Dramatik. Dramatik ist – physisch, mental oder emotional – eine reaktive Projektion , die wir einsetzen, um von anderen die Aufmerksamkeit zu bekommen, die wir uns noch nicht selbst schenken können.
Wir alle verfügen über bestimmte bewährte Verhaltensweisen, die wir uns in Situationen zugelegt haben, in denen wir unser authentisches Verhalten nicht leben konnten – in denen wir gelehrt wurden, der Spontaneität zu widerstehen. Diese Verhaltensweisen sind unser reaktives Agieren.
Ein spontan kreatives Kind voller Freude ist reine Emotion im Sinne von »Energie in Bewegung«. Um uns in die Welt der Erwachsenen einzugliedern (in das »Leben in der Zeit«, wie wir in The Presence Process sagen), jäten uns unsere Eltern und unsere Umgebung einen großen Teil unseres spontanen Verhaltens aus. Im Rahmen unserer emotionalen Prägung werden wir in der Kindheit Erfahrungen ausgesetzt, in denen wir von unserem authentischen Verhalten abgebracht werden und berechenbar angemessenes Verhalten zeigen. Dies geschieht, damit wir in der Welt der Erwachsenen soziale Akzeptanz finden. Auf diese Art und Weise wird die Präsenz des Kindes durch die Scheinwelt der Erwachsenen ersetzt.
Spontanes Verhalten, wie zum Beispiel nackt in der Öffentlichkeit herumzulaufen, gilt bei einem zweijährigen Kind als niedlich, bei einem achtjährigen Kind jedoch als unpassend. In vielen Gesellschaften ist es bei einer achtzehnjährigen Person sogar verboten. Ob es nötig ist, spontanes Verhalten zu mäßigen, ist hier nicht der Punkt, weil wir uns auf die Folgen dieses Verhaltens konzentrieren.
Das Umformen von spontanem Verhalten wird in der Regel durch mahnende Worte der Eltern in Form von »Nein« oder »Halt« bewirkt. Was nicht offensichtlich ist, ist die Tatsache, dass die energetische Aktivität, die dem spontanen Verhalten zugrunde liegt, mit der Disziplinierung nicht aufhört. Sie wird lediglich in eine andere Form umgewandelt und wird zu energetischem Widerstand, der sich als gut berechnete Dramatik manifestiert.
Berechnete Dramatik ist insofern erfolgreich, als sie uns in der Welt der Erwachsenen Akzeptanz verschafft, gleichzeitig wird unsere eigene Authentizität aber für uns selbst untragbar. Diese Zurückweisung unseres inneren Wesens löst einen energetischen Konflikt aus, der sich in den vielen Verhaltensweisen, die wir an den Tag legen, um Aufmerksamkeit und Billigung zu bekommen, nach außen hin bemerkbar macht.
Wenn wir uns auf diese Weise selbst ablehnen, suchen wir in der Folge andere, die uns stattdessen akzeptieren. Wir versuchen verzweifelt, das Gefühl, akzeptabel zu sein, von diesen anderen Personen zu bekommen. Dieses Bemühen liefert die Inspiration für einen Großteil unserer Dramatik. Unser zugrundeliegender Wunsch nach Aufmerksamkeit und Billigung ist die Sehnsucht, das Unbehagen und die Hitze zu betäuben, die aufgrund der starken Emotionen entstehen. Unsere Dramatik entsteht aus der irrigen Annahme, dass jemand »da draußen« dieses Unbehagen für uns lindern und ausräumen kann.
Während wir erkennen, dass bestimmte Aspekte unseres authentischen Verhaltens nicht mehr akzeptabel sind, und Verhaltensweisen entwickeln, um akzeptiert zu werden, messen wir die Effektivität dieser Verhaltensweisen daran, wie viel Aufmerksamkeit sie uns bei unseren Eltern und unserer Familie verschaffen. Häufig ist dann jede Art der Aufmerksamkeit, egal wie unbehaglich sie sein mag und mit welchen unangenehmen Folgen sie verbunden sein mag, besser als gar keine Aufmerksamkeit. Dies ist der Grund, warum unser Vorrat an Verhaltensweisen sowohl negative als auch positive Aufmerksamkeit nach sich zieht.
Dieses Streben nach Aufmerksamkeit und Billigung kann positiv und kreativ kanalisiert werden, beispielsweise in vielen Formen der darstellenden und kreativen Künste. In einer Kunst authentisch zu sein, erfordert jedoch, dass wir zunächst lernen, wie wir uns selbst die bedingungslose Aufmerksamkeit geben können, die wir bei anderen suchen.
2. SELBSTMEDIKATION – Ruhigstellen und Kontrolle: Die zweite Folge stark aufgeladener Emotionen ist ebenfalls eine Art des dramatischen Verhaltens, das reaktiv auf inneres Unbehagen entsteht. Dieses Verhalten richtet sich jedoch nicht an andere, um Aufmerksamkeit zu bekommen, dieses Verhalten richtet sich nach innen, auf uns selbst, und ist ein Versuch, unser inneres Unbehagen zu reduzieren. In The Presence Process wird dieses Verhalten als »Selbstmedikation« bezeichnet. Es
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