Die Kraft gelebter Gegenwart
Gesellschaft vertritt noch immer die These, dass Abhängigkeit durch Armut, Faulheit, mangelnde Bildung, Charakterschwäche und Drogendealer verursacht wird. Diese sogenannten »Ursachen« von Abhängigkeit sind Auswirkungen und können daher nicht die Ursachen sein. Die Ursache einer Abhängigkeit ist unsere nicht integrierte, emotionale Verfassung. Diese Erkenntnis ist befreiend.
Je nach Schweregrad unseres Zustands kann es erforderlich sein, den Prozess mehrmals zu durchlaufen, um die ursächlichen Emotionen in unserem emotionalen Körper zu integrieren. Manchmal dauert diese Integrationsarbeit sogar das ganze Leben. Sie sollten sich aber keine Gedanken darüber machen, wie lange dies dauern wird.
Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Wir können die Reise nach innen antreten, dem Pfad des Bewusstseins folgen und dabei die Verantwortung für unsere Erfahrung übernehmen. Oder wir können die Reise nach außen entlang des Bewusstseinspfads antreten und ständig unwirksames Verhalten an den Tag legen, das einen Ausgleich für unseren emotionalen Zustand schaffen soll, und uns dabei auf andere verlassen und Suchtmittel missbrauchen.
Bei unserer ersten Reise durch The Presence Process lernen wir die Kunst, achtsam auf unsere stark aufgeladenen Emotionen zu reagieren. Wir werden zu unserer eigenen, unabhängigen Selbsthilfegruppe. Bei dieser ersten Reise beginnen wir auch mit der Integration des Gesamtzustands unserer stark aufgeladenen Emotionen. Deshalb wird empfohlen, dass Sie beim zweiten Mal Ihre Willensstärke und Ihren gesunden Menschenverstand einsetzen und damit beginnen, sich aus den Routinen und Ritualen Ihres Suchtverhaltens zurückzuziehen. Ziel ist es, allmählich, aber ganz bewusst, unsere falsche »Lösung« zur Seite zu legen.
Das Zurückfahren oder Einstellen unserer Selbstmedikation hat zur Folge, dass die stark aufgeladenen Emotionen, die damit in Zusammenhang stehen, automatisch in unser Bewusstsein treten. Dann lassen wir uns bewusst auf dieses gefühlte Dilemma ein, indem wir uns die Atemtechnik, die Werkzeuge der Wahrnehmung und die Einsichten zunutze machen, die in diesem Buch beschrieben werden. Während wir uns dieser emotionalen Signaturen bewusst werden, entwickeln wir die Fähigkeit, bedingungslos mit diesen unbehaglichen, gefühlten Resonanzen zu sein.
Wenn wir The Presence Process das zweite Mal durchlaufen, verfügen wir auch bereits über die Erfahrungen, die wir beim ersten Durchgang gewonnen haben. Es ist zu erwarten, dass wir auf dem Weg das eine oder andere Mal straucheln oder stürzen. Unsere Fähigkeit, bewusst und achtsam auf unsere Beschwerden, unser Unbehagen, zu reagieren, kann nicht sofort durch eine Entscheidung des Verstandes herbeigeführt werden, sondern sie wird allmählich durch konsequente Anwendung der Techniken entwickelt. Was zählt, ist nicht unser Straucheln oder Stürzen, was zählt, ist die Beständigkeit, mit der wir uns hochziehen und weitermachen. Wenn Sie den Prozess zum zweiten Mal durchlaufen haben, sollten Sie etwa drei Wochen lang eine Pause einlegen und dann erst mit dem Prozess fortfahren.
Bei jeder Durchführung dieses Prozesses wird es Ihnen gelingen, noch tiefer nach innen zu reisen. Beim ersten Mal wird häufig hauptsächlich die Erfahrung gesteigerten physischen Bewusstseins gemacht. Beim zweiten Mal besteht die Erfahrung meist aus größerer mentaler Klarheit. Beim dritten Mal verbessern wir die Fähigkeit zur emotionalen Integration.
Indem wir uns auf der Erfahrungsebene auf diese Reise einlassen, erkennen wir, dass die Ereignisse der Vergangenheit – jedes Detail dieser Ereignisse – uns gedient haben, uns in die Ganzheitlichkeit des Bewusstseins im gegenwärtigen Augenblick zu bringen. Wir erkennen, dass unsere Schuldgefühle, unser Schamgefühl, unser Bedauern für die Jahre der Selbstmedikation auf einer Fehleinschätzung beruhen. Suchtverhalten und schwere Leiden sind kein Spiegelbild dessen, wer wir sind, sondern sie sind einfach nur Erfahrungen, die wir machen . Wenn wir die Einsichten empfangen, die uns diese Erfahrungen bieten, erlangen wir auch die Fähigkeit, sie zu überwinden und auf unserem Weg weiterzugehen.
Je näher wir dem Bewusstsein im gegenwärtigen Augenblick kommen, umso stärker fühlen wir die Dankbarkeit für jeden Aspekt der Reise, insbesondere auch für die schwierigen Etappen. Unsere gesamte Vergangenheit entpuppt sich als stützende Trittsteine auf unserem Weg ins Bewusstsein im gegenwärtigen
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