Die Kreatur
gebrochen, als wir ihn in diesem Park zurücklassen mussten.«
»Es hat dir nicht das Herz gebrochen. Unsereins ist zu solchen Gefühlen nicht in der Lage.«
»Also gut, aber ich war stinksauer.«
»Als ob ich das nicht wüsste. Okay, dann mal los. Wir schlagen sie nieder und fesseln sie, und dann fährst du um das Haus herum zur Hintertür, und wir werfen sie in den Wagen wie Klafterholz.«
Cindi sah sich das Haus genauer an und sagte: »Es sieht so aus, als ließe sich das reibungslos bewerkstelligen, stimmt’s?«
»Absolut unproblematisch. In fünf Minuten haben wir es hinter uns. Los jetzt.«
62
Als sie mit den Schrotflinten um ihre Schultern durch die Hintertür kamen, flüsterte Vicky eindringlich: »Er ist noch im Haus.«
Während sie eine Schublade aufzog und eine Schere herausnahm, flüsterte Carson: »Wer?«
»Irgendein Irrer. Er ist reichlich schräg drauf«, sagte Vicky, als Carson Michael die Schere zuwarf.
Michael fing die Schere auf, und Carson schlich auf die Küchentür zu.
Vicky flüsterte: »Er sucht Arnie.«
Während Carson sich im Flur umsah, machte Michael zwei Schnitte in die Stoffstreifen, mit denen Vicky gefesselt war, und legte die Schere hin. »Den Rest schaffst du allein, Vic.«
Im Flur war niemand. Im Wohnzimmer am anderen Ende brannte eine Lampe.
»Ist er bewaffnet?«, fragte Carson.
»Nein«, sagte Vicky.
Michael bedeutete Carson, dass er die Führung übernehmen wollte.
Aber sie war hier zu Hause. Also ging sie voran und trug die Schrotflinte so, dass sie aus der Hüfte feuern konnte.
Sie schaute vorsichtshalber im Garderobenschrank nach. Da war nichts außer den Jacken.
Im Wohnzimmer war er nicht. Carson bewegte sich weiter nach rechts, Michael weiter nach links, bis sie zwei Ziele anstelle von einem boten. Erst dann blieben sie stehen.
Jetzt mussten sie eine Entscheidung treffen. Nach rechts zu lag Carsons Schlafzimmer mit Bad. Links von ihnen befanden sich die Haustür und die Treppe in den ersten Stock.
Die Tür zu Carsons Zimmer war geschlossen. Auf der Treppe war niemand.
Nach oben , bedeutete ihr Michael mit den Augen.
Sie war einverstanden. Aus irgendwelchen Gründen war der Typ auf der Suche nach Arnie, und Arnie war oben im ersten Stock.
Carson hielt sich dicht an der Wand, wo die Stufen nicht so leicht quietschten, und lief mit der Schrotflinte in beiden Händen voran.
Michael folgte ihr und stieg rückwärts die Treppe hinauf, um das Zimmer unter ihnen im Visier zu behalten.
Carson wagte es nicht, an Arnie zu denken, und auch nicht daran, was ihm gerade zustoßen könnte. Todesangst schärft den Verstand. Grauen lässt ihn abstumpfen. Besser an den Mistkerl denken und daran, wie man ihn aufhalten kann.
Diese Stille, die im Haus herrschte. Wie in dem Weihnachtsgedicht. Mucksmäuschenstill.
Auch nach dem Treppenabsatz niemand auf den Stufen. Licht im oberen Flur. Keine Schatten, die sich bewegten.
Als sie oben angekommen war, hörte sie die Stimme eines
Fremden aus Arnies Zimmer dringen. Von der offenen Tür aus sah sie ihren Bruder auf dem Bürostuhl mit Rollen. Seine Aufmerksamkeit galt der Burg aus Legosteinen.
Der Eindringling war vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt und kräftig gebaut. Er stand mit dem Gesicht zu Arnie, keine zwei Meter von ihm entfernt, und hatte Carson den Rücken zugekehrt.
Falls sie schießen musste, hatte sie keine freie Schusslinie. Die Kugel aus der Urban Sniper könnte den Kerl glatt durchbohren und Arnie erwischen.
Sie wusste nicht, wer der Typ war. Noch entscheidender war, dass sie nicht wusste, was er war.
Der Eindringling sagte gerade: »Randal dachte, er könnte teilen. Aber jetzt … die Burg, ein Zuhause, Eiscreme, Mutter … Randal will alles für sich alleine haben.«
Carson rückte behutsam weiter nach links, als sie Michael im Flur hinter sich wahrnahm.
»Randal ist nicht Abel. Randal ist Kain. Randal ist nicht mehr Randal sechs. Von jetzt an ist er … Randal O’Connor .«
Carson bewegte sich immer noch weiter zur Seite, während sie sagte: »Was hast du hier zu suchen?«
Der Eindringling drehte sich geschmeidig um, so flink wie ein Tänzer oder wie etwas, das … präzise entworfen worden war. »Carson.«
»Ich kenne dich nicht.«
»Ich bin Randal. Du wirst Randals Schwester sein.«
»Auf die Knie«, sagte sie zu ihm. »Du wirst jetzt auf die Knie gehen, und dann legst du dich flach auf den Boden, mit dem Gesicht nach unten.«
»Randal mag es nicht, wenn man laut mit ihm redet.
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