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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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musterte eingehend den Fußboden, ehe er sich wieder vorwärts bewegte, doch dann machte er schon wieder einen Seitwärtsschritt nach rechts.
    »Es sieht so aus, als wollte er Tanzschritte lernen, Sir«, sagte Werner.
    »Was für Tanzschritte?«
    »Mit Tanzschritten kenne ich mich nicht aus, Sir. Bei meiner Ausbildung standen Überwachung und extrem gewalttätige Kampfeinsätze im Vordergrund. Ich habe kein Tanzen nicht gelernt.«
    »Nicht tanzen gelernt«, korrigierte ihn Victor. »Weshalb sollte Randal tanzen wollen?«

    »Die Leute tanzen gern.«
    »Er ist nicht wie andere Leute.«
    »Nein, Sir, das ist er nicht.«
    »Ich habe in ihm nicht den Wunsch angelegt zu tanzen. Also tanzt er auch nicht. Es sieht eher so aus, als wollte er vermeiden, auf etwas zu treten.«
    »Ja, Sir. Die Ritzen.«
    »Welche Ritzen?«
    »Die Ritzen zwischen den Bodenfliesen.«
    Als der Entlaufene direkt unter einer Kamera stehen blieb, erwies sich Werners Beobachtung als korrekt. Bei jedem einzelnen seiner Schritte hatte Randal mit pedantischer Genauigkeit darauf geachtet, seinen Fuß exakt auf eine der quadratischen PVC-Fliesen zu stellen, die eine Kantenlänge von dreißig Zentimetern hatten.
    »Das sind typische Zwangshandlungen«, sagte Victor, »und somit vereinbar mit den Entwicklungsstörungen, die ich bei ihm vorprogrammiert habe.«
    Randal gelangte vom Blickfeld einer Kamera in die Reichweite einer anderen. Er stieg in einen Aufzug. Er fuhr ins unterste Stockwerk des Krankenhauses hinunter.
    »Niemand hat einen Versuch unternommen, ihn aufzuhalten, Werner.«
    »Nein, Sir. Unsere Aufgabe ist es, zu verhindern, dass jemand das Gebäude unbefugt betritt. Uns ist nie gesagt worden, wir sollten darauf achten, dass niemand das Gebäude ohne ausdrückliche Genehmigung verlässt. Niemand, der hier beschäftigt ist, und keiner von denen, die neu erschaffen worden sind, würde jemals ohne Ihre Erlaubnis von hier fortgehen. «
    »Randal hat es getan.«
    Werner zog die Stirn in Falten und sagte: »Es ist nicht möglich, ungehorsam gegen Sie zu sein.«
    Auch in der untersten Etage vermied es Randal, auf Ritzen
zu treten. Schließlich gelangte er in den Aktenkeller und verbarg sich dort zwischen den Metallschränken.
    Die meisten Angehörigen der Neuen Rasse, die in der Barmherzigkeit erschaffen worden waren, wurden mit der Zeit hinausgeschickt, um die Bevölkerung der Stadt zu infiltrieren. Manche dagegen waren, wie Randal, reine Experimente, die Victor auszuschalten beabsichtigte, wenn das jeweilige Experiment, für das sie erschaffen worden waren, abgeschlossen war. Randal war niemals für die Welt außerhalb dieser Mauern bestimmt gewesen.
    Werner spulte das Band der Überwachungskamera vor, bis Victor persönlich auf dem Bildschirm auftauchte, als er den Aktenkeller von dem geheimen Tunnel aus betrat, der das frühere Krankenhaus mit der Tiefgarage des Gebäudes auf dem benachbarten Grundstück verband.
    »Er ist ein Abtrünniger«, sagte Victor grimmig. »Er hat sich vor mir versteckt.«
    »Es ist nicht möglich, Ihnen den Gehorsam zu verweigern, Sir.«
    »Offenbar wusste er, dass es ihm verboten ist, von hier fortzugehen. «
    »Aber es ist nicht möglich, ungehorsam gegen Sie zu sein, Sir.«
    »Halt den Mund, Werner.«
    »Ja, Sir.«
    Nachdem Victor durch den Aktenkeller ins Untergeschoss der Barmherzigkeit gelangt war, tauchte Randal sechs aus seinem Versteck auf und ging auf die Ausgangstür zu. Er tippte den Code in das Tastenfeld ein und begab sich in den Tunnel.
    »Woher hat er den Code gewusst?«, fragte Victor verwundert.
    Randal bewegte sich ruckhaft und mit Seitwärtsschritten durch den Tunnel zur Tür am hinteren Ende und gab dort wieder den Zahlencode für das Schloss ein.

    »Woher kannte er den Code?«
    »Wenn Sie gestatten, Sir.«
    »Raus mit der Sprache.«
    »Als er sich im Aktenkeller verborgen hielt, konnte er den Ton jeder Ziffer hören, die Sie auf dem Tastenfeld eingegeben haben, bevor Sie aus dem Tunnel kamen.«
    »Du meinst, er hat es durch die Tür gehört.«
    »Ja, Sir.«
    »Jede Zahl hat einen anderen Ton«, sagte Victor.
    »Er muss im Voraus gelernt haben, welcher Ton für welche Ziffer steht.«
    Auf der Bandaufnahme betrat Randal den leeren Lagerraum im benachbarten Gebäude. Nach anfänglichem Zögern begab er sich von dort aus in die Tiefgarage.
    Die letzte Kamera fing Randal ein, während er zaudernd die Rampe hinaufstieg. Sein Gesicht war von großer Angst gezeichnet, aber irgendwie bezwang er seine

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