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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Rasse bestand durch ihre Programmierung ausschließlich aus Atheisten und war frei von jedem Aberglauben.
    Christine sagte in das Handy: »Mr Helios, hier spricht Christine. Wir haben wieder eine Margaret.«
    In ihrem Vokabular hatte Erika keine Definition für Margaret zur Verfügung. Sie wusste lediglich, dass es ein weiblicher Vorname war.

    »Nein, Sir«, sagte Christine, »es ist nicht Mrs Helios. Es ist William. Er beißt sich die Finger ab.«
    Erika überraschte es, dass Victor glauben konnte, sie selbst sei geneigt, sich die Finger abzubeißen. Sie war sicher, dass sie ihm keinen Grund gegeben hatte, Derartiges von ihr zu erwarten.
    Nachdem er seinen rechten Ringfinger ausgespuckt hatte, begann der Butler wieder, sich zu wiegen und vor sich hin zu sagen: »Tick, tack, tick, tack …«
    Christine hielt William den Hörer hin, damit Victor den Singsang hören konnte.
    Die anderen fünf Hausangestellten waren jetzt oben angekommen. Sie standen stumm und feierlich im Flur, als seien sie nur da, um Zeugnis abzulegen.
    Christine sprach wieder ruhig ins Telefon: »Er fängt gleich mit dem achten an, Mr Helios.« Sie hörte länger aufmerksam zu. »Ja, Sir.«
    Als William verstummte und den Mittelfinger seiner rechten Hand in den Mund steckte, packte Christine ihn bei den Haaren, aber nicht etwa, um ihn von seiner Selbstzerstörung abzubringen, sondern um seinen Kopf stillzuhalten, damit sie ihm das Handy ans Ohr halten konnte.
    Schon nahm William eine steife Haltung ein und schien Victor aufmerksam zuzuhören. Er stellte das Beißen ein. Als Christine sein Haar losließ, nahm er den Finger aus dem Mund und starrte ihn bestürzt an.
    Ein Beben durchlief seinen Körper und gleich darauf ein weiterer Schauer. Er verlor den Halt auf den Knien und fiel auf die Seite.
    Mit offenen Augen, die starr blickten, lag er da. Auch sein Mund stand offen, so rot wie eine Wunde.
    Christine sagte ins Telefon: »Er ist tot, Mr Helios.« Dann: »Ja, Sir.« Dann: »Das werde ich gleich erledigen, Sir.«
    Sie beendete das Gespräch und sah Erika feierlich an.

    Sämtliche Hausangestellten starrten Erika an. Sie wirkten gehetzt, das stimmte. Ein Angstschauer überlief Erika.
    Der Pförtner namens Edward sagte: »Willkommen in unserer Welt, Mrs Helios.«

11
    Meditation wird in den meisten Fällen in tiefer Stille betrieben, doch ein bestimmter Schlag von Männern kann, wenn es große Probleme zu lösen gilt, auf langen Spaziergängen am besten denken.
    Deucalion zog es vor, bei Tageslicht nicht durch die Gegend zu laufen. Sogar im leichtlebigen New Orleans, wo Verschrobenheiten aller Art an der Tagesordnung waren, hätte er mit Sicherheit zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wenn er sich bei strahlendem Sonnenschein in der Öffentlichkeit gezeigt hätte.
    In Anbetracht seiner Gaben hätte er zu jeder Tageszeit mit einem einzigen Schritt an jeden beliebigen Ort gelangen können, der weiter westlich lag und von der Sonne noch nicht erreicht wurde, um in der anonymen Dunkelheit anderer Länder spazieren zu gehen.
    Aber Victor hielt sich in New Orleans auf, und hier schärfte die Atmosphäre der drohend bevorstehenden Katastrophe Deucalions Verstand.
    Daher schlenderte er über die sonnendurchfluteten Friedhöfe der Stadt. Die langen, mit Gras bewachsenen Wege gestatteten es ihm fast überall, Touristengruppen und andere Besucher schon von weitem zu sehen.
    Die drei Meter hohen Grabhäuser standen aufgereiht da wie die Gebäude in den beengten Straßenzügen einer Miniaturstadt.
Er konnte mit Leichtigkeit zwischen sie schlüpfen und einer bevorstehenden Begegnung ausweichen.
    Hier wurden die Toten in oberirdischen Grabbauten beigesetzt, weil der Grundwasserspiegel so dicht unter der Oberfläche lag, dass Särge in Gräbern nicht in der Erde bleiben würden, sondern bei feuchtem Wetter ans Tageslicht geschwemmt worden wären. Manche wirkten wie lieblos auf die Schnelle errichtete Unterkünfte, die gerade eben den Mindestanforderungen genügten, aber andere waren so reich verziert wie die Villen im Garden District.
    Wenn man bedachte, dass Deucalion aus Kadavern zusammengestückelt worden und durch Geheimwissenschaften – vielleicht auch durch übernatürliche Kräfte – zum Leben erweckt worden war, dann war es gar nicht einmal so sehr eine Ironie des Schicksals, sondern eher logisch, dass ihm in diesen Alleen der Toten behaglicher zumute war als auf den Straßen der Lebenden.
    Auf dem St.-Louis-Friedhof Nummer 3, wo Deucalion seinen

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