Die Kreatur
eines Bürgers mit seinem geistlichen Ratgeber viele wertvolle Informationen in Erfahrung bringen ließen.
Außerdem würde Victor eine köstliche Farce darin sehen, seine seelenlosen Geschöpfe Predigten halten und Messen lesen zu lassen.
Selbst einer, der von seiner äußeren Erscheinung her so groß und so bedrohlich wirkte wie Deucalion, konnte von einem Geistlichen ein mitfühlendes Ohr erwarten, ob es nun echte Geistliche oder Betrüger waren. Sie würden es gewohnt sein, den Außenseitern der Gesellschaft Trost zuzusprechen, und sie würden ihm mit weniger Argwohn und Sorge begegnen als andere.
Da der Katholizismus in New Orleans die vorherrschende Konfession war, würde er mit diesem Glauben beginnen. Er hatte zahlreiche Kirchen zur Auswahl. In einer von ihnen würde er vielleicht einen Geistlichen finden, der seinen Schöpfer, indem er den Sitz seines Stützpunkts preisgab, ebenso leichtfertig verraten würde, wie er Tag für Tag Gott verhöhnte.
12
In der Sicherheitszentrale der Hände der Barmherzigkeit befand sich eine ganze Wand von Monitoren mit hoher Auflösung; die Bilder von den Fluren und den Räumlichkeiten der weitläufigen Einrichtung waren so gestochen scharf, dass sie fast dreidimensional wirkten.
Victor war nicht der Meinung, dass seinen Leuten ein Recht auf Privatsphäre zustand. Oder auf Leben, nein, selbst das nicht.
Keiner von ihnen hatte irgendwelche Rechte. Sie hatten ihren
Auftrag, der darin bestand, seine Vision einer neuen Welt zu verwirklichen, und sie hatten ihre Pflichten und kamen in den Genuss von Privilegien, die er ihnen gestattete. Aber von Rechten war nicht die Rede.
Werner, der Chef der Sicherheitsabteilung in den Händen der Barmherzigkeit , war ein derart solides Muskelpaket, dass selbst ein Zementfußboden unter ihm hätte einsacken sollen. Und doch hob er nie Gewichte und trainierte auch ansonsten nicht. Ein perfektionierter Stoffwechsel erhielt seine ungeschlachte physische Gestalt in Topform, wobei es so gut wie keine Rolle spielte, was er aß.
Er hatte ein Problem mit Nasenschleim, aber daran arbeiteten sie bereits.
Ab und zu – nicht ständig, noch nicht einmal allzu häufig, aber doch oft genug, um lästig zu sein – produzierten seine Nebenhöhlen ungeheure Schleimmengen. Bei diesen Gelegenheiten verbrauchte Werner oft drei Packungen Papiertaschentücher pro Stunde.
Victor hätte Werner ausschalten, seine Leiche in der Mülldeponie entsorgen und Werner zwei den Posten des Sicherheitschefs geben können. Aber diese Rotzattacken verblüfften und faszinierten ihn. Er zog es vor, Werner auf seinem Posten zu behalten, die Anfälle zu beobachten und ganz allmählich an seiner Physiologie herumzubasteln, um das Problem zu lösen.
Jetzt stand Victor neben einem momentan nasenschleimfreien Werner in der Sicherheitszentrale und blickte auf eine Reihe von Monitoren, auf denen die Bänder der Überwachungskameras die Route zeigten, die Randal sechs eingeschlagen hatte, um aus dem Gebäude zu entkommen.
Grenzenlose Macht erfordert grenzenlose Anpassungsfähigkeit.
Jeder Rückschlag musste als eine Gelegenheit angesehen werden, als eine Chance, etwas daraus zu lernen. Victor durfte sich bei seiner visionären Arbeit von Herausforderungen nicht
erschüttern lassen, sondern musste aus problematischen Situationen gestärkt hervorgehen. Manche Tage schienen sich durch größere Herausforderungen als die üblichen auszuzeichnen. Heute schien ein solcher Tag zu sein.
Die Leiche von Detective Jonathan Harker erwartete ihn, bislang noch nicht untersucht, im Sezierraum. Und schon jetzt war die Leiche von William, dem Butler, hierher unterwegs.
Victor war nicht beunruhigt. Er war beschwingt.
Er war sogar so beschwingt, dass er fühlen konnte, wie die Schlagadern in seiner Kehle und in seinen Schläfen pochten; die Muskulatur seiner Kiefer schmerzte bereits, so ließ ihn die Erwartung, sich diesen ungeheuerlichen Herausforderungen zu stellen, die Zähne zusammenbeißen.
Randal sechs, der im Tank darauf angelegt worden war, unter schweren autistischen Störungen und ausgeprägter Agoraphobie zu leiden, hatte es dennoch bewerkstelligt, sein Quartier zu verlassen. Er hatte sich durch eine Reihe von Fluren zu den Aufzügen begeben.
»Was tut er da?«, fragte Victor.
Seine Frage bezog sich auf das Video, das Randal zeigte, während er sich auf eigentümliche Weise durch einen Korridor voranbewegte, zaudernd und ruckhaft. Manchmal machte er ein paar Schritte zur Seite und
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