Die Kreatur
viel Zeit dort, mehr als irgendwo sonst.«
»Wie viele von deiner Sorte sind in der Barmherzigkeit beschäftigt? «
»Ich glaube, achtzig oder neunzig. Genau weiß ich es nicht.«
»Die Sicherheitsmaßnahmen müssen sehr streng sein.«
»Jeder, der dort arbeitet, ist zugleich eine Tötungsmaschine. Ich glaube, ich hätte gern noch eine zweite Praline.«
Deucalion half ihm dabei, mit seinen Fingern die Schachtel zu finden und die Praline dann in seinen Mund zu stecken.
Wenn Laffite keine Praline aß, verdrehten sich seine Augen unter den Lidern und zuckten. Solange er eine Praline im Mund hatte, hielten seine Augen still.
Nachdem er aufgegessen hatte, sagte Laffite: »Findest du die Welt geheimnisvoller, als sie es angeblich ist?«
»Wer sagt, dass sie es nicht ist?«
»Unser Schöpfer. Aber ertappst du dich dabei, dass du dich wunderst und dir Fragen stellst?«
»Oh ja, ich hinterfrage viele Dinge«, sagte Deucalion.
»Ich auch, ich stelle mir ständig Fragen. Glaubst du, dass Hunde eine Seele haben?«
55
Der süße Duft des Jasmins erfüllte die Nachtluft. Auf dem Gehweg zu den Stufen, die zur Veranda vor Lulanas Haus führten, sagte Carson zu den Schwestern: »Es wäre das Beste, wenn Sie niemandem ein Wort darüber erzählen, was sich in der Pfarrei abgespielt hat.«
Als könnte sie sich nicht darauf verlassen, dass ihre Hände nicht zitterten, benutzte Lulana beide, um den Kuchen zu halten. »Wer war der Riese?«
»Sie würden es mir ja doch nicht glauben«, sagte Carson, »und wenn ich es Ihnen sagen würde, täte ich Ihnen damit keinen Gefallen.«
Evangeline, die den zweiten Kuchen an sich drückte, fragte: »Was fehlt Pastor Kenny? Was wird aus ihm werden?«
Anstelle einer Antwort sagte Michael: »Um eures Seelenfriedens willen solltet ihr wissen, dass euer Geistlicher schon vor langer Zeit seine letzte Ruhe gefunden hat. Der Mann, den ihr heute Abend Pastor Kenny genannt habt … ihr habt keinen Grund, euch seinetwegen zu grämen.«
Die Schwestern tauschten einen Blick miteinander aus. »Etwas Eigenartiges ist auf die Erde herabgekommen, nicht wahr?«, fragte Lulana Carson, doch sie erwartete eindeutig keine Antwort. »Heute Abend ist es mir dort eiskalt über den Rücken gelaufen, als sei vielleicht … die Endzeit angebrochen.«
Evangeline sagte: »Wir sollten beten, Schwester.«
»Das kann nichts schaden«, sagte Michael. »Vielleicht hilft es sogar. Und genehmigt euch ein Stück Kuchen.«
Lulana kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Mr Michael, in meinen Ohren klingt das ganz so, als wolltest du damit sagen, wir sollten uns ein Stück leckeren Kuchen genehmigen, solange wir noch Zeit dazu haben.«
Michael vermied eine Antwort, doch Carson sagte: »Esst jeder ein Stück Kuchen. Oder am besten gleich zwei.«
Als sie wieder im Wagen saßen und Carson vom Straßenrand losfuhr, sagte Michael: »Hast du den weißen Mercury Mountaineer etwa einen halben Block hinter uns auf der anderen Straßenseite gesehen?«
»Ja.«
»Genauso einer wie der im Park.«
Sie sah in den Rückspiegel und sagte: »Ja. Und er sieht auch genauso aus wie der, der vor dem Pfarrhaus am Ende der Straße auf der anderen Seite geparkt war.«
»Ich habe mich schon gefragt, ob du den wohl gesehen hast.«
»Glaubst du vielleicht, ich bin plötzlich blind geworden?«
»Kommt er hinter uns her?«
»Noch nicht.«
Sie bog an der Kreuzung nach rechts ab.
Er drehte sich auf dem Sitz um, damit er einen Blick zurück in die dunkle Straße werfen konnte, von der sie gerade abbogen, und sagte: »Sie kommen immer noch nicht. Tja, in einer Stadt von dieser Größenordnung muss es zwangsläufig mehr als einen weißen Mountaineer geben.«
»Und heute ist zufällig einer dieser verrückten Tage, an denen sie uns alle über den Weg fahren.«
»Vielleicht hätten wir Godot um ein paar Handgranaten bitten sollen«, sagte Michael.
»Ich bin sicher, dass er die besorgen kann.«
»Wahrscheinlich in Geschenkpapierverpackt. Wohin jetzt?«
»Zu mir«, sagte Carson. »Vielleicht wäre es trotz allem eine gute Idee, wenn Vicky Arnie woanders hinbrächte.«
»Zum Beispiel in eine nette, ruhige Kleinstadt in Iowa.«
»Und zurück ins Jahr 1956, als Frankenstein nichts weiter war als Colin Clive und Boris Karloff. Und als Mary Shelley noch eine Romanautorin war und nicht eine Prophetin und Historikerin.«
56
Auf den sechs Monitoren der Überwachungskameras kroch die insektenartige Manifestation des Werner-Wesens, die immer noch
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