Die Kreatur
Stimme des Geistlichen schlich sich jetzt eine Demut ein, die Victor gar nicht gefiel. »Sir, ich brauche das Paradies nicht. Ewige Dunkelheit und Stille würden mir genügen.«
Victor verabscheute ihn. »Offenbar ist zumindest eines meiner Geschöpfe erbärmlicher als alles, wovon ich je für möglich gehalten hätte, dass ich es erschaffen könnte.«
Als der Geistliche keine Erwiderung parat hatte, schaltete Victor den Ton des Isolierraums an. Das Werner-Ding schrie immer noch vor Entsetzen und vor Schmerzen, die anscheinend extrem stark waren. Einige Schreie ähnelten denen einer gequälten Katze, während andere so schrill und fremdartig waren wie die Geräusche hektischer Insekten, und wieder andere klangen so menschlich wie jeder Schrei, der in einer Anstalt für geistesgestörte Verbrecher durch die Nacht hallen könnte.
Zu einem der Mitarbeiter sagte Victor: »Öffne die äußere Tür
der Schleuse. Pater Duchaine möchte dem armen Werner geistlichen Beistand leisten.«
Patrick Duchaine sagte zitternd: »Aber es bedürfte doch nur weniger Worte von Ihnen, um …«
»Ja«, schnitt ihm Victor das Wort ab, »das könnte ich tun, aber ich habe Zeit und Mittel in dich investiert, Patrick, und du hast mir diese Investition mit einem absolut indiskutablen Ertrag vergolten. Hiermit kannst du mir wenigstens noch einen letzten Dienst erweisen. Ich muss ganz genau wissen, wie gefährlich Werner inzwischen ist, vorausgesetzt, er kann überhaupt jemand anderem als sich selbst gefährlich werden. Geh hinein und walte deines Amtes. Ein schriftlicher Bericht wird nicht notwendig sein.«
Die äußere Tür der Schleuse stand jetzt offen.
Duchaine durchquerte den Überwachungsraum. Auf der Schwelle blieb er stehen und sah sich noch einmal nach seinem Schöpfer um.
Victor konnte sich keinen Reim auf den Gesichtsausdruck des Geistlichen machen und ebenso wenig auf seinen Blick. Obwohl er jeden Einzelnen von ihnen mit großer Sorgfalt erschaffen hatte und die Struktur ihres Körpers und ihres Verstandes vielleicht besser kannte als sich selbst, waren ihm einige Angehörige der Neuen Rasse manchmal ein so großes Rätsel wie die gesamte Alte Rasse.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen betrat Duchaine die Schleuse.
Die Tür schloss sich hinter ihm.
Ripleys Stimme klang abgestumpft und trostlos: »Er ist jetzt in der Luftschleuse.«
»Das ist keine Luftschleuse«, korrigierte ihn Victor.
Einer der Mitarbeiter sagte: »Außentür im Schließmodus. Die Innentür wird jetzt geöffnet.«
Im nächsten Moment hörte das Werner-Insekt mit seinem Geschrei auf. Das Ding hing von der Decke und schien in eifriger,
bibbernder Alarmbereitschaft zu sein. Endlich wurde es von seinen eigenen Sorgen abgelenkt.
Pater Patrick Duchaine betrat den Isolierraum.
Die innere Tür schloss sich, doch kein Mitarbeiter hielt sich an die übliche Prozedur, das Schließen der Schleuse anzukündigen. Auf den Überwachungsraum hatte sich eine Stille wie noch nie zuvor herabgesenkt.
Duchaine sprach nicht mit dem Monster, das über ihm an der Decke hing, sondern in eine der Kameras und durch ihr Objektiv mit seinem Schöpfer. »Ich vergebe dir, Vater, denn du weißt nicht, was du tust.«
In diesem Augenblick, ehe Victor in der Lage war, eine wütende Erwiderung zu brüllen, erwies sich das Werner-Ding als über alle Erwartungen todbringend. Eine solche Beweglichkeit. Und diese exotischen Mandibeln und Kneifzangen. Und noch dazu die Ausdauer einer Maschine.
Da er ein Angehöriger der Neuen Rasse war, war der Geistliche darauf programmiert, sich zu wehren, und er war schrecklich stark und widerstandsfähig. Infolge dieser Kraft und dieser Widerstandsfähigkeit fand er keinen leichten Tod, sondern starb eines langsamen und grausamen Todes, obwohl ihm am Ende doch noch die Gnade erwiesen wurde, um die er gebeten hatte.
57
Deucalion starrte Pastor Laffites Lider an, unter denen sich die Augäpfel nervös bewegten, und sagte: »Viele Theologen glauben, dass Hunde und manche andere Tiere eine einfache Seele haben, ja, das schon, doch ob sie unsterblich ist oder nicht, das kann niemand genau sagen.«
»Wenn Hunde eine Seele haben«, brachte Laffite zaghaft hervor, »dann könnte es vielleicht sein, dass auch wir mehr als Maschinen aus Fleisch sind.«
Nach kurzem Nachdenken sagte Deucalion: »Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen … aber eine dritte Praline kann ich dir anbieten.«
»Iss auch eine, ja? Es ist eine so einsame Kommunion.«
»In
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