Die Kreuzfahrerin
Esel eingefunden.
Mit gesenktem Haupt kehrte Ursula in den Hof zurück. Sie umarmte Melpomene, und ihr liefen die ersten Tränen über die Wangen. Als sie Kyrilla in ihre Arme nahm, wurde daraus ein Weinen, das den ganzen Körper der jungen Frau erschütterte. „Kyrilla, liebe Großmutter, danke, danke für alles. Ich habe soviel von dir gelernt“, schluchzte Ursula. „So Gott will, werden wir uns wiedersehen, und dann bleibe ich bei dir. Bitte, bitte bleib gesund und pass auf dich auf. Ich komme wieder.“
Auch Kyrilla standen die Tränen in ihren hellen Augen. In all den Monaten war ihr Ursula so etwas wie eine Tochter geworden, und es schmerzte sie, sie nun gehen zu lassen. „Ursula, du bist in meinem Herzen. Wiedersehen, ja, wer weiß wann, wer weiß wo. Nimm hier, es soll dich an die alte Kyrilla denken machen.“ Sie griff unter den Kragen ihres Kleides und zog ein Schmuckstück hervor. Es war eine goldene Kette, und daran hing eine kleine goldene Scheibe, in die einige Steine verschiedener Farben eingefasst waren. Die Steine waren einfach rund geschliffen und formten ein Kreuz auf der Medaille. Kyrilla legte Ursula die Kette über den Kopf. „Das gehörte meiner Tochter, Stratons Mutter. Es wird dich beschützen und zu mir zurückbringen.“
Noch einmal küsste die alte Frau Ursula auf beide Wangen, dann ging sie so schnell, wie es ihr möglich war, zum Haus. Ursula wollte ihr nachlaufen, aber Straton hielt sie am Ärmel fest. „Lass sie. Es ist für sie hart. Sie hat schon einmal eine Tochter verloren. Aber sie wird an dich denken, und der Schmerz wird vergehen. So, jetzt kommt.“ Straton nahm den Esel am Halfter und führte ihn aus dem Hof auf die Gasse. Ursula und Hilde folgten ihm. Noch einmal sah Ursula sich um, winkte kurz Melpomene, und ein tiefer Seufzer entwich ihrem Mund. Doch dann richtete sie ihren Blick nach vorne, und ihre Aufregung über das, was wohl kommen mochte, gewann die Oberhand.
Am Ende der nächsten Gasse, in die sie einbogen, konnten sie nun Krieger und allerlei andere Menschen sich langsam vorwärtsschieben sehen. Straton drehte sich um. „Da könnt ihr euch einreihen. Bis zum Hafen ist es nicht mehr weit. Ich muss jetzt zurück zu meinem Posten.“ Hilde umarmte Straton, und auch Ursula drückte den Soldaten kurz an sich. „Leb wohl, Straton. Danke für alles. Ich hoffe, wir werden uns dereinst wiedersehen.“ Der Abschied war kurz, und Straton ging seiner Wege. Die beiden Frauen nahmen den Esel zwischen sich und verließen die Gasse. Bei der nächsten Lücke im Zug, die sich ihnen bot, verschmolzen sie mit dem Zug runter zum Hafen. Dort lag, so wie es Ursula vor einigen Monaten schon gesehen hatte, eine Vielzahl großer Schiffe. Soldaten dirigierten die Massen zu den Planken, die von der Mole auf die Boote führten. Der Esel hatte allerdings nur wenig Lust, über die schwankenden Bretter zu gehen. Ursula und Hilde mussten ihn losmachen, und mit Hilfe einiger Männer gelang es dann doch, das Tier auf das Schiff zu ziehen. Auch ihren Karren brachten sie mit der Unterstützung anderer heil an Bord.
Sie standen dichtgedrängt zwischen Menschen und Tieren, und es wurde immer enger. Schließlich spürte Ursula, wie die Bretter unter ihr stärker zu schwanken begannen, und als sie zum Hafen zurückblickte, sah sie, wie sich die Kaimauer langsam entfernte. Die Meerenge war, da günstiger Wind in die großen Segel blies, schnell überquert. Ursula kam dieser Meerarm nicht größer als die Donau vor. Dabei hatten alle gesagt, das Meer sei viel größer und man könne sein Ende nicht sehen. Ihr blieb allerdings keine Zeit, sich weiter zu wundern. Schon hatte das Schiff den anderen Hafen erreicht, und die ersten waren über die Planken bereits wieder an Land. Hilde und Ursula hatten gemeint, der Esel würde froh das Schiff verlassen, doch er stellte sich ebenso störrisch an wie zuvor auf der anderen Seite des Wassers. Als Karren und Esel wieder festen Boden unter sich hatten, blieb den Frauen kaum Zeit zu verschnaufen. Soldaten trieben die Massen an, den Hafen zu verlassen und Platz für die Folgenden zu machen. Ursula und Hilde schirrten ihr Zugtier so schnell sie nur konnten wieder an und folgten der Menge. Sie brauchten nicht weit zu gehen, bereits nach einigen Stunden erreichten sie das neue Lager. Tausende Zelte standen da bereits. Die Zeltstadt war so groß, dass die Frauen sie nicht überschauen konnten. Vor den Zelten saßen Krieger in Kettenhemden, aber auch viele
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