Die Kreuzfahrerin
sehen noch nicht einmal schlecht aus.“
„Heute gibt es aber hier zu essen. Lass mir ein wenig Zeit und gib mir Gelegenheit, deine Freunde erst selber zu beurteilen. Dann sehen wir weiter.“
Ursula war der Gedanke nicht angenehm, sich an fremde Männer zu verkaufen. Manchmal verspürte sie schon Lust, aber sie musste dabei immer an Ludger und nicht zuletzt an ihre tote Tochter denken. Aber irgendwie mussten sie ja ihr Leben bestreiten. Selbst wenn sie sparsam waren, würden die Vorräte aus Konstantinopel nicht viel länger als von einem Vollmond zum nächsten reichen. Insofern war das ein oder andere Spiel mit einem zahlenden Mann sicherlich ein kleineres Übel, als hungern zu müssen.
Nach dem Essen kümmerte sich Hilde um Löffel und Schalen, während Ursula Asche über die Glut des Feuers häufte. Dann krochen die Freundinnen auf ihre Strohsäcke. Nicht nur dieses nach all den Monaten bei Kyrilla ungewohnte Lager, sondern auch die Geräusche um sie herum ließen sie lange auf den Schlaf warten.
Der folgende Tag zog sich zäh dahin. Ursula und Hilde hatten so wie die meisten anderen im Lager nichts zu tun. Zwischendurch gingen sie zweimal Holz holen, um einen Vorrat zu haben. Sie hielten die Glut ihres Feuers klein und verbrachten die meiste Zeit vor ihrem Zelt hockend. Fremde kamen vorbei, und es gab immer irgend etwas zu sehen. Als es auf den Abend zuging, schlug Hilde vor, zu den Normannen zu gehen. „Komm, Ursula, du musst dich ja nicht sofort zu irgendeinem Kerl auf das Lager werfen, aber alleine die Aussicht, du könntest ihnen zu Gefallen sein, wird den Normannenkriegern ein Abendbrot und einige Becher Wein wert sein.“
Ursula folgte Hilde, die ohne Eile zwischen den Zeltreihen hindurchschlenderte. Schließlich steuerte Hilde auf ein bestimmtes Zelt zu. Vor dem Feuer, das von mehreren Zelten genutzt wurde, saßen einige Männer.
„Jocelin, ich grüße dich!“, rief Hilde einem zu. „Wo ist Ailwin? Ich habe meine Gefährtin Ursula mitgebracht.“
„Komm her, Hilde, setzt euch zu uns. Zwei schmucke Weiber sind uns immer willkommen. Ailwin ist bei den Pferden, er wird aber sicherlich bald wieder auftauchen. Spätestens, wenn er den Bratenduft unseres Zickleins hier in die Nase bekommt.“
Hilde zog Ursula an der Hand hinter sich her und setzte sich neben Jocelin an das Feuer. Auch Ursula setzte sich, aber nicht ohne zu bemerken, dass nicht nur Hildes Freund all ihren Bewegungen mit den Augen folgte. Sie spürte, wie sie rot wurde.
Jocelin reichte beiden Frauen Becher. „He, reicht den Weinschlauch rüber“, rief er. „Hilde und ihre Freundin haben sicher Durst.“
„Habt ihr auch Wasser?“ Ursula fürchtete den Wein. Die Männer lachten, aber sie reichten auch einen tönernen Krug mit Wasser zu den Frauen. Ursula füllte etwas Wein in ihren Becher und goss dann Wasser dazu. „Lacht ihr nur“, sagte sie laut vor sich hin. „Ich habe Durst und kein Verlangen danach, jetzt gleich die Herrschaft über meine Sinne zu verlieren.“
Lautes Gelächter war die Antwort der Männer darauf, aber sie respektierten die Handlungsweise der hübschen, jungen Frau.
„Ailwin, schau, Hilde ist wieder da“, rief Jocelin plötzlich, „und schau, ihre Gefährtin hat sie auch mitgebracht.“
Ein junger Mann trat zur Feuerstelle. Er hatte dunkles, glattes Haar, sein Bart war gestutzt, und über einer ledernen Hose trug er ein weites Hemd. An seinem Gürtel hingen ein beachtliches Schwert und ein Dolch. Er nahm den Gürtel ab und setzte sich neben Ursula.
„Ich grüße dich“, sprach er sie an. „Man nennt mich Ailwin; und wie heißt du?“
„Ursula.“
„Du ziehst mit Hilde?“
„Ja.“ Ursula hielt ihren Blick gesenkt. Sie traute sich nicht, dem jungen Mann in die Augen zu schauen.
„Hilde, du hast uns verschwiegen, dass deine Freundin so hübsch ist“, rief Ailwin.
„Ja, sie ist eine Augenweide, aber wenn du dich nicht benimmst, wird sie dir das Gesicht zerkratzen“, erwiderte Hilde, und die Männer lachten.
Langsam taute Ursula in der gutgelaunten Runde auf. Die Männer langweilten sich nicht weniger als die Frauen. Sie witzelten darüber, wie lange es noch bis zum Aufbruch dauern würde und wie sie sich den Feinden gegenüber beweisen wollten. Einer von ihnen war aufgestanden und hatte damit begonnen, die äußere Schicht Fleisch von dem Zicklein herunterzuschneiden. Die Fleischstücke wurden alle auf einen großen Teller gegeben, der dann durch die Reihen gereicht wurde. Ähnlich
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