Die Kreuzfahrerin
einfach klein beigeben. Vor den Toren dieser Stadt lagert die vielleicht größte Streitmacht aller Zeiten, und dein Basileus ist dabei, Teile davon gegen sich aufzubringen.“
Hilde sollte recht behalten. In der darauf folgenden Woche liefen schreiende Menschen durch die Straßen Konstantinopels. Die Krieger Gottfrieds hatten begonnen zu plündern, und es hieß, ein Teil des Heeres wolle den Palast angreifen.
Auch Straton musste sich von seiner Großmutter und seiner Schwester verabschieden. Der Kaiser hatte allen verfügbaren Kräften befohlen, sich den Mannen des Herzogs entgegenzustellen.
Ursula, Kyrilla und Melpomene saßen gemeinsam mit Hilde und ein paar weiteren Frauen aus der Nachbarschaft ängstlich zusammen und warteten auf Nachrichten. Keine traute sich hinaus.
„Wir haben gesiegt!“ Mit diesem Ruf stürmte Straton in Kyrillas Haus. „Wir haben Gottfrieds marodierende Truppen zurückgeschlagen, und der Herzog wird sich unterwerfen. Er hat viele tapfere Männer verloren.“
Straton musste wieder zu seiner Einheit, doch er versicherte den Frauen: „Ihr braucht keine Angst mehr zu haben. Kaiser Alexios hat veranlasst, dass unverzüglich damit begonnen wird, die Streitmächte über die Meeresenge zu bringen. Sind die Ritter erst einmal drüben, haben sie andere Probleme und werden sich nicht noch einmal gegen den Kaiser stellen.“
Straton war bereits seit einigen Stunden wieder auf Posten, als Ursula plötzlich ein erschreckender Gedanke kam. Traurig ergriff sie beide Hände Kyrillas. „Großmutter, wenn die Heere aufbrechen, müssen Hilde und ich auch gehen. Wir haben, indem wir das Kreuz nahmen, ein Gelübde abgelegt, wir dürfen nicht länger hier bleiben.“ Tränen stiegen ihr dabei in die Augen. Sie hatte die alte Griechin so sehr in ihr Herz geschlossen.
Kyrilla drückte Ursulas Hände und nickte. Auch ihr fiel es schwer nach all den Monaten, in denen sie und Ursula ihr Wissen ausgetauscht hatten, die junge Frau wieder gehen zu lassen.
„Wenn es dein Weg ist, musst du ihn gehen. Vielleicht werden wir uns wiedersehen, du hast doch nicht vor, in Jerusalem zu bleiben, oder?“
„Nein, ich komme gerne wieder hierher zurück. In die Heimat zieht mich nichts, aber hier in Konstantinopel habe ich mich sehr wohlgefühlt“, antwortete Ursula.
„Ihr solltet aber nichts überstürzen“, mahnte Melpomene. „Straton soll sich zuerst erkundigen, wie alles geplant ist, und dann können wir sehen, wie wir euch auf ein Boot bekommen.“
„Bis dahin haben wir aber genug zu tun, damit ihr ausreichend Verpflegung habt“, schaltete sich Kyrilla wieder ein. „Du, Ursula, musst deine Vorräte an Kräutern und Salben überprüfen. Hilde kann sich um Essen und Trinken kümmern, wenn sie einverstanden ist.“
„Ja, das hatte ich eh vor.“ Hilde lächelte die alte Frau an. „Du weißt sehr gut, wie bei Ursula und mir die Aufgaben verteilt sind.“
Ursula war noch immer wehmütig, aber die Aufgaben des Tages nahmen sie dann doch so in Beschlag, dass sie der Trauer über den baldigen Abschied nicht weiter nachhängen konnte.
Straton kehrte erst spät am Abend in das Haus zurück. Die Lage in der Stadt hatte sich beruhigt, und am nächsten Tag würden die Ritterheere damit beginnen, ihre Überfahrt zu organisieren. So blieben Hilde und Ursula noch einige Tage.
Doch irgendwann waren alle Kräutersäckchen gefüllt, alle Tiegel gut verschlossen und verpackt und die Truhe sowie das Zelt auf dem Karren verstaut. Straton hatte sich erkundigt, wann ein Großteil der bekreuzigten Nichtkrieger übergesetzt werden sollte, und hatte auch eine günstige Stelle gefunden, an der sich Ursula und Hilde mit ihrem Gefährt in den Zug einreihen konnten.
Konstantinopel,
24. März 1097
„Wo hast du den Lederbeutel mit den Kräutersäckchen?“ Ursula lief ständig zwischen Haus und dem Karren im Hof hin und her. Sie war aufgeregt und traurig zugleich, und Hilde kam es vor, als würde ein kleines Kind versuchen, das Zubettgehen hinauszuzögern.
„Der Beutel ist mit den anderen Sachen in der Truhe“, antwortete sie ruhig und ließ die junge Freundin wieder ins Haus laufen.
„Hilde, Hilde, hast du die Schläuche nochmal überprüft?“, rief sie nun vom Innenhof herüber.
„Ja, Ursula, sie sind prall gefüllt, und es tropft nichts heraus.“
So sehr Ursula sich auch sträubte, es war Zeit, Abschied zu nehmen. Straton wartete bereits am Karren, und auch Kyrilla und Melpomene hatten sich neben dem angeschirrten
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