Die Kreuzfahrerin
des Bischofs Adhémar von Le Puy versammelten. Zwei Tage später bliesen die Hörner an allen Enden des Heerlagers zum Aufbruch.
Es dauerte länger als einen Tag, bis wirklich alle unterwegs waren. Ursula staunte jedes Mal aufs Neue, wenn sie von einem Hügel oder einer Wegbiegung aus große Teile des Zuges überschauen konnte. Das Bild dieser vorwärtsstrebenden Massen – die großen Abteilungen Reiter, das folgende Fußvolk und dazwischen die großen, von mehreren Ochsen gezogenen Fuhrwerke – hatte etwas Ehrfurchtgebietendes an sich. Und Ursula fühlte so etwas wie Stolz, dazuzugehören. Sie liefen etwa in der Mitte des Zuges, hinter den Wagen und Tieren der Normannen. Die Strecken, die sie täglich zurücklegten, waren ohne weiteres zu bewältigen, und die Stimmung der Wallfahrer war gut. Die Krieger, Ritter und Bogenschützen waren voller Erwartung auf die von ihnen zu vollbringenden Heldentaten. Die Priester und Mönche stimmten immer wieder Gebete und Gesänge an, in die das Volk teilweise mit einfiel. Unter den Frauen, Handwerkern und all den vielen anderen wurde beim Marsch geplaudert, gesungen und gelacht. Belastend war in diesen Tagen nur der Staub, den viele Tausend Hufe und Füße aufwirbelten, der alle einhüllte, manchmal das Atmen erschwerte und allabends aus den Kleidern geklopft werden musste.
Sie waren bereits eine ganze Anzahl Tage unterwegs, da stießen die Truppen Kaiser Alexios’ zu ihnen. Sie brachten neben mehreren hundert Soldaten eine große Menge Fuhrwerke mit Heu und Hafer für die Pferde. Nach ein paar Wochen erschienen am Horizont die Mauern einer stark befestigten Stadt. Sie hatten ihr erstes Ziel erreicht: Nikaia. Hilde und Ursula erfuhren, dass die Truppen der Griechen von General Tatikios angeführt wurden. Ein Lager wurde errichtet. Die Soldaten und Ritter zogen vor die Mauern der Stadt und schlossen diese ein. Von den Mauern herab wurden sie nur spärlich beschossen. Durch Spione und Kundschafter erfuhren nicht nur die Fürsten davon, dass der Sultan der Stadt, Kilic Arslan, seine Streitmacht gegen Völker aus dem Osten geführt hatte, von Mund zu Mund drang die Nachricht bis zum letzten Wallfahrer und ließ auf eine baldige Einnahme der Stadt hoffen. Doch die Mauern waren hoch, und man war sich über die Vorgehensweise wohl nicht einig. So richteten sich alle auf einige Wochen des Belagerns ein.
Nikaia,
19. Mai 1097
Laute Rufe und Aufruhr schreckten die Frauen, die sich im Lager langweilten, auf. Durch die Zeltreihen drang die Nachricht von einem herannahenden feindlichen Heer. Die Aufregung ergriff alle, doch als sich eine Streitmacht von mehreren Tausend Rittern aus dem Belagerungsring löste, um sich dem Feind entgegenzuwerfen, keimte wieder Hoffnung auf.
Bereits drei Tage später kehrten die Ritter zurück, und Gejohle sowie die auf Lanzen gespießten Köpfe einiger Feinde kündeten von einem schnellen Sieg. Man hatte das Heer des Sultans, welches auf den massiven Angriff der Ritter nicht vorbereitet gewesen war, in die Flucht geschlagen. Von dem raschen Sieg beflügelt und nun voller Tatendrang erhöhten die Truppen den Druck auf die Mauern. Ursula erfuhr von einem Knappen, dass Kaiser Alexios selbst Schiffe über Land hatte ziehen lassen, um über den See hinter der Stadt den Belagerungsring um Nikaia vollends zu schließen. Alle im Lager sprachen von dem Reichtum hinter den Mauern. Diese hielten allerdings auch den stärkeren Angriffen der Heere stand. So entschloss man sich, die Stadt auszuhungern. Durch die Schiffe des Basileus konnte niemand mehr in die Stadt hinein, und so würden ihr irgendwann die Vorräte ausgehen.
Vor den Toren Nikaias,
20. Juni 1097
Ursula und Hilde wurden durch wildes, wütendes Gebrüll geweckt. Sie rafften sich rasch von ihrem Lager auf und traten vor das Zelt. Den Blicken und ausgestreckten Armen der wild gestikulierenden Normannen in ihrer Nähe folgend sahen sie hinauf zur Stadt. Auf den Zinnen der Mauern wehten die Banner Konstantinopels. Hatte es in der Nacht, während sie schliefen, einen erfolgreichen Angriff gegeben? Und weshalb war jetzt so ein Geschrei zwischen den Zelten? Ursula verstand nicht, was vorgefallen war, und es brauchte den ganzen Tag und die Bruchstücke vieler unterschiedlicher Berichte der Männer, die an ihrem Zelt vorbeikamen, bevor sie und Hilde sich einen Reim auf alles machen konnten.
Alexios, der Kaiser, war in der Nacht mit seinen Schiffen über den See in die Stadt eingedrungen und hatte diese wohl
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