Die Kreuzfahrerin
südlich von Toulouse. Besser gesagt, ein gutes Stück weit weg von der Stadt. Mein Bruder hat das Erbe angetreten und mich als Ritter ausbilden lassen“, erzählte er weiter, während Ursula damit beschäftigt war, Wasser zu erhitzen und einen Sud zu bereiten, von dem sie wusste, dass man damit Wunden reinigen und Schwellungen lindern konnte. Als sie fertig war, tauchte sie ein Stück Stoff in die heiße Flüssigkeit und begann damit, Roderichs Abschürfungen am Arm und an der Schulter zu säubern. Sie hatte sich dazu hinter den Ritter gestellt, die Blicke seiner Augen verwirrten sie, und sie glaubte, er müsse sehen, dass sie immer wieder errötete. Auch den dunklen blutunterlaufenen Fleck an seiner Hüfte tupfte sie ab. Dann nahm sie eine wundheilende Salbe und strich sie auf die Blessuren. Seine warme Haut zu berühren, rief in ihr ein angenehmes Gefühl hervor. Das war ein gut gewachsener, muskulöser Mann. Ursula roch seinen Schweiß und spürte unter ihren Händen die Kraft seiner Muskeln. „So, nun kannst du dich wieder anziehen, Roderich von irgendwo südlich von Toulouse. Die Schulter und der Arm werden bald wieder besser sein, wenn du sie in den nächsten Tagen schonst. Der Rest wird auch heilen. Dein Panzer hat dich vor Schlimmeren bewahrt“, sagte sie und hielt die Hand auf. Der Ritter verstand, holte ein paar Münzen aus einem Beutel an seinem Gürtel und ließ sie in Ursulas Hand klimpern. „Soll ich nochmal wiederkommen?“, fragte er und sah Ursula direkt ins Gesicht. Ursula hätte am liebsten einfach ja gesagt. Doch wollte sie sich diese Blöße nicht geben. „Komm in zwei Tagen, wenn es bis dahin nicht wirklich besser geworden ist“, sagte sie rasch und beschäftigte sich mit ihren Tiegeln. Roderich stand auf, streifte sich vorsichtig sein Hemd über. Den Lederpanzer und das Kettenhemd legte er sich über den Arm. „Ich danke dir, Ursula, von ich weiß nicht wo“, sagte er grinsend und deutete eine kleine Verbeugung an. Dann ging er und verschwand zwischen den nächsten Zelten.
„Was war jetzt das?“, wollte Hilde wissen, und das Blitzen in ihren Augen verriet Ursula, dass Hilde wirklich gar nichts verborgen blieb. Um sich einem Verhör zu entziehen, zeigte sie Hilde die Münzen. „Da schau, mein Wissen macht sich nun auch bezahlt“, lachte sie und gab Hilde das Geld.
„Darum ging es mir nicht“, bohrte Hilde weiter, und Ursula war schon bereit, ihr alles zu erzählen, als eine massige Gestalt an ihr Feuer gehumpelt kam. Es war der Normanne, dem Ursula den Pfeil entfernt hatte. Er brachte ein großes Stück gebratenes Fleisch. „Hier, als Dank“, sagte er schlicht und hielt den Frauen den Braten hin.
„Wenn du schon mal da bist, setz dich da hin. Ich will noch mal nach deinen Wunden sehen“, erwiderte Ursula ohne Umschweife.
Der große Normanne folgte ihr aufs Wort. Er hatte noch dieselben zerrissenen Beinkleider an, und Ursula sah, das ihr Verband gehalten hatte. Auf beiden Seiten war kein Blut durch den Stoff gedrungen. Dennoch löste Ursula den Verband. Mit dem desinfizierenden Kräutersud tupfte sie die Haut rund um die Wunden ganz sauber. Es blutete nicht mehr, und das war ein gutes Zeichen. Trotzdem, wusste Ursula, konnte sich die Wunde noch entzünden. Dagegen hatte ihr Kyrilla damals in Konstantinopel Blätter gegeben. Ursula tauchte sie kurz in die warme Flüssigkeit, damit sie geschmeidig wurden. Dann legte sie ein Blatt auf jede Wundöffnung und verband das Bein mit sauberen Stoffstreifen. Der Normanne hatte ihr die ganze Zeit zugesehen und bewunderte das sichere Handeln der jungen Frau. Manch ein Feldscher stellte sich da mehr an. „Wenn ihr wollt“, sagte er nun zu den Frauen, „dann kommt mit. Wir feiern den Sieg und haben zwei Fässchen guten Wein ergattert.“
Ursula sah Hilde fragend an. Die ließ sich bereits ein Stückchen des Bratens schmecken und nickte erwartungsfroh.
„Warte kurz, ich räum das hier nur schnell weg, dann kommen wir mit dir.“ Ursula packte ihre Sachen in die Ledertasche, zusammen mit zwei Kräutersäckchen trug sie alles schnell ins Zelt. Hilde brachte den Hocker und die zwei Tiegel mit Salben.
„Nun lass uns ordentlich feiern“, lachte Hilde, „wir haben allen Grund dazu. Ich habe auf dem Feld einige kleine Schläuche Wein und darüber hinaus auch zwei Börsen ergattert, und du, meine liebe Kräuterursula, hast dein erstes Geld mit deiner Kunst verdient.“
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte Ursula den wartenden
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