Die Kreuzfahrerin
und unwirklich sauber im Gegensatz zu der Hand, die ihn hielt. Ursula prüfte die Klinge. Sie war beidseitig scharf und sehr spitz. So konnte sie die Waffe nicht bei sich tragen. Ihr pragmatischer Sinn siegte über alle Dünkel. Sie trat an die Leiche, der der Ritter die Stoßwaffe genommen hatte, beugte sich nieder und öffnete den Gürtel. Dann zog sie die Scheide des Dolches vom breiten Lederriemen und band sie sich selber an ihren Gürtel. Sie schob die Waffe in das Futteral und wusste zugleich, dass sie hier nicht länger bleiben wollte. So rasch, wie es ihr die Schlachtreste erlaubten, verließ sie das Feld und suchte sich den schnellsten Weg zurück zu Hilde und ihrem Karren. Die Freundin war allerdings noch nicht zurück. Ursula versuchte, sich durch Beschäftigung von dem Geschehenen abzulenken, und mit fahrigen Bewegungen begann sie, ihr Zelt aufzubauen und das Lager zu richten. Verzweifelt kämpfte sie mit der Plane, die ihr immer von den Stangen rutschte. Ihr liefen die Tränen über die Wangen, und sie wischte sich erneut mit dem Handrücken quer über das Gesicht. Ein Normanne bemerkte ihren Kampf und griff helfend zu. Als es Ursula so gelungen war, die Plane zu spannen, wollte sie sich bedanken, doch als sie auf den Mann zuschritt und den Kopf hob, wich der mit erschrockenem Gesicht vor ihr zurück. Ursula wusste nicht, was das nun wieder sollte, machte sich weiter keine Gedanken darüber und ging Holz für das Feuer suchen. Sie fühlte sich selber wie betäubt und versuchte ausschließlich an die Tätigkeit zu denken, die sie gerade verrichtete. Mit dem Arm voller trockener Zweige und Äste bedachte sie sogar jeden einzelnen ihrer Schritte. Sie hatte das Gefühl, wenn sie sich nicht selber dazu zwang, nicht mehr weitergehen zu können.
Als sie zurück zu ihrem Zelt kam, erschrak auch Hilde vor ihr.
„Ursula! Kind, wie siehst du aus? Bist du verletzt?“ Hilde sah wirklich besorgt aus.
„Nein“, Ursula wusste kaum, was sie sagen sollte. „Es geht mir gut.“
„Dein Gesicht, deine Haare und dein Kleid, alles ist voll Blut“, erklärte Hilde ihr da.
Ursula erinnerte sich an das Geschehene, wie das Blut aus dem Arm des Heiden gespritzt war.
„Komm, wasch dich. Du siehst wirklich schrecklich aus.“
Ursula folgte, nahm einen Eimer, füllte Wasser hinein und begann sich Arme und Gesicht zu waschen. Als sie sich mit einem Tuch abtrocknen wollte, hinterließ sie rote Flecken auf dem Stoff. Wieder und wieder rieb sie sich mit Wasser über ihre Haut und goss sich auch Wasser über die Haare. Als sich das Tuch nicht mehr zu verfärben schien, holte sie sich ihr Ersatzkleid aus der Truhe und zog sich um. Gewaschen und in sauberen Gewändern trat sie vor das Zelt.
„Ohne das Blut in Haar und Gesicht siehst du viel besser aus“, sagte eine Männerstimme zu ihr. Ursula drehte sich um. Neben dem Zelt stand der Ritter, der sie gerettet hatte. Und grinste sie an.
„Euer Mund und Eure Augen scheinen nicht verletzt zu sein, welche Schmerzen habt Ihr? Hat ein Heide Euren Kopf getroffen?“
„Nein, der Kopf ist ganz in Ordnung, doch der Schildarm, die Schulter und, wie du bereits weißt, die Hüfte plagen mich.“
„Dann erinnert sich der Kopf doch sicherlich an seinen Namen?“ Ursula merkte, sie war zu frech, aber das Grinsen des Ritters und sein Tonfall reizten sie.
„Ich bin Roderich, und du? Hilde oder Ursula, wie soll ich dich nennen?“
„Ich bin Ursula. Zieh das Kettenhemd aus, Roderich. Du bist kein Normanne, wo kommst du her?“ Aus irgendeinem Grund war Ursula in das vertraute Du übergegangen und erschrak selbst ein bisschen, doch den Ritter schien es nicht zu stören. Er zog sein Kettenhemd über den Kopf, und, obwohl er die Zähne zusammenbiss, konnte Ursula einen ächzenden Laut des Schmerzes hören.
„Aus Franken, ich gehöre zum Heer des Grafen Raimund von Toulouse.“
„Dann setz dich jetzt hierher, Roderich aus Toulouse.“ Ursula holte einen Hocker aus dem Zelt und stellte ihn neben das Feuer, wo sie mehr Licht hatte. Flüchtig bemerkte sie Hildes Blicke, die staunte nicht schlecht, wie Ursula mit dem Ritter umsprang. Ein Grinsen konnte sie sich auch nicht verkneifen.
Als Roderich saß, half Ursula ihm, die Schnallen des Lederüberwurfes und des wattierten Hemdes, das er unter dem Kettenhemd trug, zu lösen.
„Ich bin nicht aus Toulouse“, griff Roderich ihre Unterhaltung wieder auf, als er nun mit nacktem Oberkörper am Feuer saß. „Mein Vater war Vogt eines Gutes
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