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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Augenwinkeln eine Schwärze heraufziehen, die ihr Licht auslöschen mochte. Sie versuchte, einen Finger zwischen die Hand und ihren Hals zu schieben, aber auch das gelang ihr nicht. Mit aller Kraft bäumte sie sich auf und, wie vom Blitz getroffen, verlor sie den Halt und flog ein ganzes Stück von dem Würger weg. Jetzt bekam sie auch wieder Luft. Die Klammer um ihren Hals löste sich. Ihr Blick wurde wieder klar, und entsetzt riss sie die Augen auf, als ihr bewusst wurde, was ihre Augen sahen. In ihren Händen hielt sie den abgetrennten Arm des Heiden, aus dem Stumpf am Körper des Mannes pulste es rot hervor in eine immer größer werdende Lache. Auch aus dem Arm in ihren verkrampften Händen tropfte es, auf ihr Kleid, auf ihre Haut. Sie schmeckte fremdes Blut auf ihren Lippen, und in einem Schrei löste sich all ihr Erschrecken. Jemand trat zu ihr und entriss den Heidenarm ihren Krallen. Da verstummte sie und sah nun erst ihren Retter. Das Kettenhemd, sein Helm und vor allem das Schwert zeichneten ihn als Ritter aus. Auch von der Klinge seiner Waffe tropfte es rot. Ursula begann zu begreifen. Als sie schon beinahe das Bewusstsein verloren hatte, war dieser Ritter herbeigesprungen und hatte mit einem kräftigen Schwertstreich den Arm des Würgers durchtrennt. Sie wollte sich aufrappeln, stürzte aber nach vorne auf alle Viere und musste sich übergeben. Ihr Retter nahm es gelassen. „Langsam, langsam“, hörte sie seine Stimme, „so viel Dank habe ich nicht erwartet.“ Ursula schämte sich, sie hatte ihrem Retter direkt vor die Füße gespuckt. Jetzt beugte er sich zu ihr und fasste sie an den Achseln. Als sei sie federleicht, hob er sie auf und stellte sie vor sich auf die Füße. „Du solltest nur die Toten bestehlen, die anderen wehren sich meistens“, sagte er in leicht vorwurfsvollem Ton. In Ursula stieg Zorn auf, der sie zugleich wieder stärkte. „Ich hatte nicht vor zu stehlen, ich wollte helfen“, widersprach sie trotzig. „Ich bin heilkundig und wollte denen, die das hier überlebt haben, Linderung bringen.“
    „Warum hilfst du dann dem Feind? Hier sind genug der eigenen Leute, die solcher Hilfe bedürfen.“
    Ursula wollte antworten, doch ihr Retter kam ihr zuvor. Er zog sein Kettenhemd an der Seite hoch und entblößte eine große, dunkle Prellung, die in Rot und Blau schimmerte. „Hier, ich selbst bedarf deiner Hilfe, und das ist nicht der einzige Fleck, der mir Schmerzen bereitet.“
    Seine Haltung, die entblößte schmutzige Haut und auch das gekünstelt Weinerliche in seiner Stimme halfen ihr, das eigene Selbstbewusstsein zurückzuerlangen.
    „Ihr könnt ja noch laufen, kommt nachher zu meinem Zelt“, entgegnete sie trocken und weitaus frecher als sie wollte. Den Ritter schien dies nicht zu stören. „Wo finde ich das?“, fragte er einfach.
    „In der Nähe der Normannenzelte. Fragt nach Hilde und Ursula, man kennt uns dort.“
    „Gut, ich werde kommen“, erwiderte er ebenso kurz angebunden. „Ich muss jetzt weiter, kümmer dich um die Unsrigen und vergewisser dich vorher, ob man deine Hilfe überhaupt möchte.“ Er wollte bereits gehen, da drehte er sich noch einmal zu ihr um. „Hast du ein Messer?“
    Ursula schaute ihn verdutzt an. „Ja, aber das benutze ich nur zum Kräutersammeln.“
    Der Ritter sah sich um, bückte sich zu einem Körper und zog aus dessen Gürtel einen Dolch. „Hier, nimm das. Und behalte es immer in der Hand, dann kannst du dich wehren, wenn jemand dir ähnlich wenig Dank erweist wie dieser hier.“
    Ursula nahm den Dolch, und der Ritter ging ohne ein weiteres Wort. Sie stand da, sah ihm nach und brauchte eine ganze Weile, bis sie sich wieder um sich selbst kümmern konnte. Sie stand da, als gehöre sie nicht da hin. Zuerst fiel ihr Blick auf ihre Hände. Die eine umklammerte den Dolch, die andere schien wie im Krampf erstarrt. Beide waren mit Blut besudelt, das klebrig zwischen ihren Fingern zu trocknen begann. Auch ihr Kleid war über und über bespritzt. Mit dem Handrücken versuchte sie sich eine Haarsträhne zur Seite zu streichen, doch auch da war dieses klebrige Gefühl. Was machte sie hier? Sie schaute sich wieder um. Hier war nichts zu tun. Wer es nicht auf eigenen Füßen geschafft hatte, diesem Ort zu entkommen, der würde bald zusammen mit allen anderen auf einen Haufen geworfen, verscharrt oder verbrannt. Sie konnte hier nichts ausrichten, und diese Körper ihrer letzten Habe zu berauben, widerstrebte ihr. Der Dolch in ihrer Hand war blank

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